80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges laden die Literaturtage an der Neiße zur Reflexion über seine Folgen für Deutschland, Polen und Mitteleuropa ein. Zu den gravierendsten Nachwirkungen gehörten neben vielen Millionen Opfern, die im Holocaust, bei Kampfhandlungen, Deportationen, Zwangsarbeit und Vertreibungen ihr Leben ließen, und immensen Zerstörungen von Städten und ganzen Landstrichen eine umfassende ideologische, ethische und soziale Orientierungs- und Heimatlosigkeit.

Die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg prägten lange das Leben der Überlebenden. Gefühle von Schuld und Scham führten dazu, dass viele von ihnen nach Kriegsende für Jahrzehnte verstummten. Sie verstummten, um zu vergessen und um zu überleben. Erst die Nachgeborenen konfrontierten sie und sich selbst mit Fragen nach der Vergangenheit. Aus der einstigen Sprachlosigkeit der Eltern und Großeltern entstand Literatur.
Was im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg lange nicht artikulierbar und nicht beschreibbar schien, beschäftigt seitdem deutsche und polnische Autorinnen und Autoren. Wort für Wort nähern sie sich, manchmal behutsam und empathisch, manchmal direkt und schonungslos, der deutsch-polnisch-jüdischen Geschichte und den vielen deutsch-polnisch-jüdischen Geschichten der Kriegs- und Nachkriegszeit mit all ihren Facetten und Perspektiven.
Für Gespräche und Begegnungen von ihnen und mit ihnen gibt es keinen passenderen Ort als die Doppelstadt Görlitz-Zgorzelec, deren Entstehung mit dem Kriegsende 1945 eng verbunden und deren Nachkriegsgeschichte bis heute von vielen Mythen geprägt ist. Diesen vielfältigen Erzählungen in Bezug auf das deutsch-deutsche und das deutsch-polnische Verhältnis wollen die diesjährigen Literaturtage Raum geben. Neben namhaften Schriftstellerinnen und Schriftstellern wie Joanna Bator, Agnieszka Dobkiewicz, Ulrike Draesner, Matthias Nawrat und Tomasz Różycki sind auch die Zeitzeugen Jerzy Podlak und Jürgen Hempel sowie – last but not least – der 1944 in Oberschlesien geborene Bestsellerautor Christoph Hein zu Gast, der am letzten Festivaltag aus seinem kürzlich erschienenen Roman Das Narrenschiff lesen wird.
Freuen Sie sich mit uns auf vier inspirierende Tage mit guten Stoffen auf Papier und Leinwand. Wir unsererseits freuen uns auf Sie und wünschen allen ein erfolgreiches Festival.
Programm
Fast alle Veranstaltungen finden im Kulturforum Görlitzer Synagoge statt, außerdem jeweils eine im Augustum-Anne-Gymnasium Görlitz sowie im Städtischen Kulturhaus Zgorzelec (Polen).
Donnerstag, 10. April 2025
19:00 Uhr, Kulturforum Görlitzer Synagoge
Bitternis (Gorzko, gorzko)
Feierliche Eröffnung mit Joanna Bator und Lisa Palmes. Anschließend Meet & Greet
Moderation: Mateusz Hartwich
Sprachen:
Freitag, 11. April 2025
10:00 Uhr | Schlesisches Museum zu Görlitz | Veranstaltung für Schülerinnen und Schüler
Schicksal (D/PL 2023, 50 Min.)
Filmvorführung und Gespräch mit der Regisseurin Joanna Mielewczyk sowie den Zeitzeugen Jürgen Hempel und Jerzy Podlak
Moderation: Carsten Schmidt
Sprache:
17:00 Uhr | Miejski Dom Kultury Zgorzelec | Eintritt frei
Pożydowskie. Niewygodna pamięć
Lesung und Gespräch mit Agnieszka Dobkiewicz
Moderation: Tamara Włodarczyk
Sprache:
19:00 Uhr | Schlesisches Museum zu Görlitz | 8,– Euro / 5,– Euro
Literatur der Verwurzelung
Lesung und Gespräch mit Matthias Nawrat und Tomasz Różycki
Moderation: Katarzyna Schieweck
Sprachen:
Samstag, 12. April 2025
16:00 Uhr | Miejski Dom Kultury Zgorzelec – Kino Poza Nova | Eintritt frei
Los | Schicksal (D/PL 2023, 50 Min.)
Filmvorführung und Gespräch mit der Regisseurin Joanna Mielewczyk sowie den Zeitzeugen Jürgen Hempel und Jerzy Podlak
Moderation: Agnieszka Bormann
Sprachen:
19:00 Uhr | Schlesisches Museum zu Görlitz | 8,– Euro / 5,– Euro
Die Verwandelten
Lesung und Gespräch mit Ulrike Draesner
Moderation: Monika Wolting
Sprache:
Sonntag, 13. April 2025
16:00 Uhr, Kulturforum Görlitzer Synagoge | 10,– Euro / 6,– Euro
Das Narrenschiff
Lesung und Gespräch mit Christoph Hein
Moderation: Marion Brasch
Sprache:
19:00 Uhr | Jugendkulturzentrum Rabryka | 6,– Euro / 4,– Euro
Jeder schreibt für sich allein (Regie: Dominik Graf, D 2023, 169 Min., deutsche Originalfassung)
Einführung: Dr. Magdalena Gebala, Potsdam
Sprache:
Veranstalter und Förderer
Die Literaturtage an der Neiße sind ein Projekt der Görlitzer Kulturservicegesellschaft.
Mitveranstalter sind das Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz und das Deutsche Kulturforum östliches Europa.
Partner sind die Stadtbibliotheken in Görlitz und Zgorzelec.
Die Literaturtage werden gefördert durch die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, die Stadt Görlitz und die Stadt Zgorzelec.
Weitere Informationen auf der Website:
www.literaturtage.eu
Die Literaturtage an der Neiße auf Facebook:
www.facebook.com/literaturtage.eu
Das Deutsche Kulturforum östliches Europa und die Literaturtage an der Neiße 2025 werden gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien