Fragestellungen, Forschungsansätze und Methoden
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»In den letzten Jahren hat die Volkskunde / Europäische Ethnologie einen intensiven Prozess der Selbstreflexion bezüglich der Forschung zum östlichen Europa eingeleitet und kritisch über die Entwicklung dieses Forschungsfeldes, über die wichtigsten Akteure und das bisher Erreichte diskutiert. Deutlich geworden ist in diesem Zusammenhang eine lange Fachtradition und eine starke, teilweise zeitbedingte Fokussierung auf bestimmte Felder, in denen sich das Fach als nach wie vor breit gefächert und forschungsstark erweist.

Vor diesem Hintergrund richtet sich der Fokus dieses Bandes auf aktuelle kulturwissenschaftliche Ansätze zu Themenfeldern, die in der bisherigen Osteuropaforschung bisher zu wenig Beachtung gefunden haben. Neben historischen Aspekten wurden verstärkt gegenwartsbezogene Fragestellungen und das entsprechende methodische Instrumentarium ins Auge gefasst. Erfreulich ist, dass sich mittlerweile eine jüngere Generation weitgehend unbefangen mit der sozialistischen Kultur des 20. Jahrhunderts im östlichen Europa auseinandersetzt und einen etwas anderen Blick auf gegenwärtige Transformationsprozesse sowie moderne Formen der Alltagskultur wirft. Gerade einer kulturvergleichenden Perspektive, die sich keineswegs auf das östliche Europa beschränkt, kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.

Auch wenn die Forschungsbefunde nicht ganz so revolutionär sein mögen, wie das Titelbild mit dem wilden Gorilla suggeriert, so sind es doch ungewöhnliche Fragestellungen und Perspektiven, die zur Diskussion stehen. Dies gilt für die immer noch gängige Dichotomisierung in Ost und West, die wechselseitigen stereotypisierten Narrationen, die wieder verstärkt national codierten Erinnerungskulturen, komplexe Migrationsbewegungen, moderne Mythen, laufende Modernisierungsprozesse und enttäuschte Wohlstandserwartungen im Hinblick auf die Europäische Union, oder die Frage nach einer Entwicklung der kulturwissenschaftlichen Osteuropaforschung zur Europäisierungsforschung.

Aus dem Inhalt

  • Kulturvergleichende Perspektiven auf das östliche Europa
  • Ethnographische Perspektiven auf Erinnerungen, nationale Mythen und EU-Europäische Standortbestimmungen im östlichen Europa
  • Zurück zu Europas Mitte. Ethnographische Erkundungen zu identitätspolitischen Positionierungen im nordöstlichen Eruopa am Beispiel der litauischen Hauptstadt Vilnius
  • Kulturhauptstädte in Osteuropa. Zugänge, Perspektiven und Spezifika
  • Weder sesshaft noch migrantisch. Alltagsmobilität im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet des 19. Jahrhunderts und Probleme ihrer Kategorisierung
  • Das Grenz- und Auslandsdeutschtum im östlichen Europa als Forschungsfeld. Aspekte zur wissenschaftlichen Konzeption eines modernen Minderheitenverständnisses in der Weimarer Republik
  • ›Wer mit hinübergeht, muss ein Jungmann mit guter innerer Haltung sein‹. Über die Fahrten Nationalpolitischer Erziehungsanstalten zu den ›Auslandsdeutschen‹ in Südosteuropa
  • ›Heute Butterbreze, morgen Spaghetti, übermorgen Borschtsch‹ Ernährung als Identitäts- und Akkulturationsindikator am Beispiel einer russlanddeutschen Spätaussiedlerin
  • Eltern als Vorbilder. Gewinner-Images und Erfolgs-Sujets im heutigen Bulgarien
  • Osteuropa und Migrationsforschung querdenken
  • Autorinnen und Autoren
  • Literatur«

(Quelle: Waxmann-Verlag)

Drascek, Daniel (Hrsg.): Kulturvergleichende Perspektiven auf das östliche Europa. Fragestellungen, Forschungsansätze und Methoden,  Regensburger Schriften zur Volkskunde/Vergleichenden Kulturwissenschaft, Bd. 29. 208 S., Paperback, Waxmann-Verlag, Münster. 2017, € 34,90. ISBN 978-3-8309-3587-2