45 literaturinteressierte Zuhörer kamen in den Grünen Salon in der Volksbühne Berlin, wo Peter Lachmann, Bernhard Schemmel und Anne Ratte-Polle das Lesebuch »DurchFlug – E. T. A. Hoffmann in Schlesien« präsentierten
Ariane Afsari
v. l. n. r.: Ariane Afsari vom Deutschen Kulturforum, Peter Lachmann und Bernhard Schemmelv. l. n. r.: Ariane Afsari vom Deutschen Kulturforum, Peter Lachmann und Bernhard Schemmel

Königsberg, Bamberg, Berlin – bei den verschiedenen Lebensstationen E. T. A. Hoffmanns werden seine Aufenthalte in Schlesien häufig vergessen. Peter Lachmann, Schriftsteller, (Video-)Theatermacher und Übersetzer, der sich seit über zehn Jahren mit großen deutschen Romantiker beschäftigt, hat zum ersten Mal alle schlesienbezogenen Texte Hoffmanns gesammelt und neu gelesen. Aus dem dabei entstandenen Lesebuch brachte die Volksbühnen-Schauspielerin Anne Ratte Polle eine gekürzte Fassung des 3. Briefes aus den Bergen zu Gehör sowie den sich darauf beziehenden Stellen-Kommentar vom Herausgeber. Im darauffolgenden Gespräch mit Bernhard Schemmel, Präsident der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft Bamberg, konnte Peter Lachmann Hoffmanns amouröse Verstrickungen als eine Art »rosafarbigen« Faden durch diese Textsammlung ausmachen. Hinsichtlich Hoffmanns Liebschaften und seiner einzigen Ehefrau befragt, bezog sich Lachmann auf ein Zitat, das im Buch auch im Nachtrag abgedruckt ist:

»Errötend mußte Hff. sich selbst gestehen, daß er von jeher in jedes weibliche Wesen, mit dem er in solchen geistigen Umgang geraten, verliebter gewesen als recht und billig; ja, daß dieses unbillige Verliebtsein immer höher gestiegen, je länger er das Bild der Schönsten in Herz und Sinnen getragen, und je mehr er sich bemüht, dieses Bild mittels der besten Worte, der elegantesten Konstruktionen, wie sie nur die deutsche Sprache darbietet, in das rege Leben treten zu lassen. Vorzüglich in Träumen fühlt Hff. sich sehr von dieser verliebten Komplexion angegriffen, und die eigentliche Seladons-Natur, die er dann annimmt, entschädigt ihn reichlich für den gänzlichen Mangel an Liebeschmachtenden, idyllischen Situationen, den er schon seit geraumer Zeit im wirklichen Leben verspürt hat. Eine Frau mag es aber wohl gleichgültig ansehen, wie ein geistiges weibliches Wesen nach dem andern, in das der schriftstellerische Gemahl verliebt gewesen, geschrieben, gedruckt und dann mit behaglicher Beruhigung gestellt wird in den Bücherschrank.«

Lachmann schreibt im Lesebuch dazu:

»Dieses Zitat aus dem Text Die Geheimnisse aus dem Jahr 1821 enthält die glänzende selbstkritische und zugleich selbstrechtfertigende Beschreibung des von Hoffmann so virtuos beherrschten Sublimierungsmechanismus, dem wir seine Bücher verdanken und mit dem sich seine Ehefrau zeitlebens, vielmehr zu Lebzeiten Hoffmanns hat abfinden müssen. Und wir wissen aus Hoffmanns Bamberger Tagebuch, dass dies – beispielsweise zu Beginn der Käthchen-Affäre – nicht immer konfliktlos vor sich gegangen ist; Eintragung vom 18. Mai 1811: ›Ganz einziger Auftritt mit der Frau – nachher – – Eifersucht-Szene mit der Frau.‹ Obwohl also anzunehmen ist, dass Hoffmann diese Erklärung in erster Linie an Michalina Hoffmann gerichtet hat, wirft sie ganz nebenbei Licht auch auf die in dieser Anthologie versammelten Texte mit ihren Liebestrauma-Spuren und die frischeren, wenn auch verhaltenen Liebeserklärungen Hoffmanns an Johanna Eunike im dritten Brief aus den Bergen.«

Hoffmanns Ehefrau überlebte ihn um 37 Jahre und starb im schlesischen Bad Warmbrunn, dem heute polnischen Cieplice. Auf ihre und Hoffmanns Spuren begab sich der Herausgeber Peter Lachmann am Schluss der Veranstaltung mit dem Film nasenstüber, der mit dem Grand Trio E-Dur von E. T. A. Hoffmann unterlegt ist.

DurchFlug. E. T . A . Hoffmann in Schlesien 
Ein Lesebuch von Peter Lachmann

Über ihre Zeit hinaus – Europäische Biografien 
Jahresschwerpunkt 2011