Am 19. Juli 2018 feiert der Geiger und Buchautor Michael Wieck seinen 90. Geburtstag.
Von Klaus Harer
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Michael Wieck wurde am 19. Juli 1928 im ostpreußischen Königsberg geboren. Beide Eltern waren Berufsmusiker: Der Vater, der in Berlin aufgewachsen war, Geiger; die Mutter, die aus einer jüdischen Königsberger Familie stammte, Bratschistin. Bis zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten spielten die Eltern in dem angesehenen Königsberger Streichquartett. Ab 1933 durfte die Mutter nicht mehr in öffentlichen Veranstaltungen auftreten und das Quartett löste sich auf. Michael Wieck besuchte zunächst die Schule der jüdischen Gemeinde und musste nach deren Schließung mit knapp 14 Jahren Zwangsarbeit u.a. in einer Königsberger Chemiefabrik leisten.

Den Terror der Judenverfolgung, den Abtransport von Verwandten und Bekannten in die Vernichtungslager, die Schrecken der Bombardierung Königsbergs im August 1944 und der Erstürmung durch die Sowjetarmee im April 1945, das Elend der überlebenden Königsberger Bevölkerung, die nach der Niederlage der Rache der Sieger ausgeliefert war, – das alles hat Michael Wieck später in seinem Buch Zeugnis vom Untergang Königsbergs. Ein Geltungsjude berichtet in einer Weise geschildert, die sein Zeugnis zu einem wichtigen Dokument unserer Zeit macht. Lew Kopelew bezeichnete das 1988 erstmals erschienene Buch als »eine schlichte, ungekünstelte und spannende Erzählung, jede Einzelheit überzeugend wahr geschildert.« Seitdem hat es zehn Neuauflagen erlebt. In den USA erschien eine englische Übersetzung, die vom Kulturforum herausgegebene russische Übersetzung, 2004 in St. Petersburg veröffentlicht, erlebte 2015 im Kaliningrader Verlag Pictorica eine Neuausgabe. Der Rezensent der St. Petersburger Literaturzeitschrift Swesda (»Der Stern«) fasste den tiefen Eindruck von Wiecks Buch zusammen:

»Michael Wieck war es gegeben, auf die Schattenseite der sogenannten menschlichen Realität zu blicken. Als hätte jemand den seelenvollen und begabten reinen Jüngling auserwählt, damit gerade er sich mit eigenen Augen davon überzeugte, wie gemein und grausam der Mensch sein kann – jeder Mensch, jeder von uns – und davon, wie tief wir fallen können, wenn wir nur in bestimmte Verhältnisse und Umstände versetzt werden. […] Wüssten Sie nur, was das für ein tiefsinniges Buch ist! Grundehrlich und unendlich traurig. In gewissem Sinne ist es einzig auf der Welt, und zwar deshalb, weil es sich vor dem Hass scheut, sich einfach dazu nicht herablassen kann.«
(Quelle: magazines.russ.ru/zvezda).

In zahlreichen Lesungen und Gesprächen hat Michael Wieck die Botschaft seines Buches auch persönlich seinem Publikum nahegebracht. Mit seinem geistreichen und humorvollen Charme konnte er unter anderem auch im Kaliningrader Gebiet, seiner historischen Heimat, Verständnis für seine zum Teil herben und bitteren Erkenntnisse erlangen.

Michael Wieck mit einer Schülerin während der Sommerschule 2005 in Swetlogorsk/Rauschen

Wir Mitarbeiter/innen des Deutschen Kulturforums östliches Europa hatten das Glück, seit der Arbeit an der russischen Ausgabe des Buches im Jahr 2004 eine ganze Reihe von Veranstaltungen in Deutschland und Russland mit Michael Wieck durchführen zu können. Zu den Höhepunkten zählt hierbei ein Sommerkurs für den Violin-Nachwuchs des Kaliningrader Gebiets, den Michael Wieck gemeinsam mit seiner Frau Miriam Röhm-Wieck in Swetlogorsk, früher Rauschen, an der Ostsee leitete. Wir danken ihm dafür von ganzem Herzen und wünschen uns und unserem Publikum, dass wir diese Zusammenarbeit bei guter Gesundheit des Jubilars auch fortsetzen dürfen.

Herzlichen Glückwünsch zum Neunzigsten, lieber Michael Wieck!