Der Schriftsteller Eugen Ruge besuchte die Kurische Nehrung
Eugen Ruge
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Frankfurter Allgemeine Zeitung • 06.10.2012

Schriftsteller sind Handlungsreisende in eigener Sache: unterwegs von Lesung zu Lesung, von Festival zu Festival. Wo der Autor der »Buddenbrooks« sich vom Nobelpreisgeld im Jahr 1930 ein Sommerhaus bauen ließ, findet jetzt Jahr für Jahr das Thomas-Mann-Festival statt: auf der Kurischen Nehrung in Litauen. Der Schriftsteller Eugen Ruge, Gewinner des Deutschen Buchpreises 2011, erlebt den einzigartigen Charme der fragilen Halbinsel, begegnet den Spuren, die Russen und Deutsche in der wechselvollen Geschichte des Ortes hinterlassen haben, und entdeckt eine rätselhafte Siedlung am Stadtrand von Klaipeda

[…] Die kurische Enttäuschung besteht darin, dass sich die von der Landkarte geschürte Erwartung niemals erfüllt. Man erlebt die Nehrung nie. Man sieht entweder das Haff oder das Meer oder den alten Dorfkern von Nida; man kann Sanddünen besichtigen (die wenigen, die anscheind für die Touristen übrig gelassen wurden); man kann stundenlang geradeaus durch den Wald radeln, der irgendwann Ende des neunzehnten Jahrhunderts gepflanzt worden ist, um das Wandern der Nehrung zu stoppen (angeblich haben die bösen Russen im Siebenjährigen Krieg alle Bäume abgeholzt, um sie nach England zu verkaufen). Und auch an den wenigen Punkten, von denen aus man gleichzeitig das Meer und das Haff sieht (und an denen Volker Koepp offenbar gedreht hat), bekommt man kein Gefühl für das Verhältnis von Breite und Länge, man spürt nicht die Form der Nehrung, ihre fragile geographische Lage. […]

Ein Strand, so mächtig wie der Wind
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