Lettische Hochzeiten finden im Sommer statt. Dann sind die Rittergüter der ehemaligen deutschen Herren ausgebucht. Und nicht einmal Gespenster stören.
Elsemarie Maletzke

Frankfurter Allgemeine Zeitung • 15.09.2011

[…] Nicht alle Herrenhäuser hatten so viel Glück wie Ruhenthal/Rundāle. Die Geschichte der Schlösser und Rittergüter in Lettland ist auch die Geschichte von etwa hundert baltendeutschen Familien, den Nachkommen der Ritter und Schwertbrüder, die siebenhundert Jahre lang Lettland wie eine deutsche Kolonie beherrschten. Zwar stellten sie nur drei Prozent der Bevölkerung, besaßen aber fast fünfzig Prozent des Landes. Unter den Adligen gab es elegante Höflinge wie die beiden jungen Birons, die das Bett der älteren Zarin Katharina teilten, und rustikale Junker, die fleißig das Privileg des Schnapsbrennens nutzten. Es gab die aufgeklärten Mellins und Pistolkors auf Birini, denen die Bauern im Park ein Denkmal setzten, die schöne Dorothea, Herzogin von Kurland, die in diplomatischer Mission nach Polen reiste, und den zornigen Garlieb Merkel, der 1793 als Hauslehrer auf dem Hofgut Anna lebte und als Erster ein Buch über das Elend der lettischen Leibeigenen schrieb. […]