Oskar Ansull stellte im Worpsweder Café Central das Werk von Karl Emil Franzos vor
Hans-Joachim Brandt
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Weser-Kurier – Osterholzer Kreisblatt & Wümme-Zeitung • 02.03.2005

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Weser-Kuriers.

Worpswede. In unregelmäßigen Abständen wurde das Café Central in Worpswede zu einem literarisch-musikalischen Salon. Leider wird das bald der Vergangenheit angehören, denn Fredo Burmester will seinen Betrieb Mitte März einstellen. Wohl zum letzten Mal setzte er sich ans Klavier und griff zur Geige, um einen höchst interessanten literarischen Abend musikalisch zu begleiten. Oskar Ansull aus Berlin war angereist, um den fast vergessenen Dichter Karl Emil Franzos vorzustellen.

In der Versenkung verschwunden

Das Lesebuch ZweiGeist vermittelt einen Einblick in das umfangreiche literarische und journalistische Schaffen Fanzos’, der zu seinen Lebzeiten hochgelobt wurde, aber nach seinem Tode 1904 in Berlin in der Versenkung verschwand. Der aus Celle stammende Oskar Ansull hat sich seit 30 Jahren mit Franzos beschäftigt. Zuerst eher beiläufig, nachdem Paul Celan ihn in seiner Büchner-Preis-Rede erwähnt hatte. Dann erfuhr er, dass es Karl Emil Franzos war, der als erster das Gesamtwerk von Georg Büchner herausgegeben hatte. Dabei war er auch auf das Wozzek-Manuskript gestoßen, das sonst vermutlich verloren gegangen wäre. Franzos wurde 1848 in Czortkow/Galizien geboren und ist in Czernowitz aufgewachsen. Die Stadt war eine Vielvölkermetropole, in der Russen, Polen, Ukrainer, Deutsche und Juden zusammen lebten.

Dem Glauben nach ein Jude

Es gab im 19. Jahrhundert dort eine deutsche Hochschule und ein deutsches Theater. »Ich war noch nicht drei Käse hoch, als mir mein Vater bereits sagte: ›Du bist deiner Nationalität nach kein Pole, kein Ruthene, kein Jude – du bist ein Deutscher.‹ Aber ebenso oft hat er mir schon damals gesagt: ›Deinem Glauben nach bist du ein Jude!‹«

Als Jude war ihm das angestrebte Philologie-Studium versagt. So studierte er in Wien und Graz Jura und beendete sein Studium mit der Promotion. Er fand aber keine Anstellung und wandte sich dem Journalismus zu.

Bis zu seinem Tode 1904 gab er die Zeitschrift Deutsche Dichtung heraus. Sein mehrbändiges Werk Halb-Asien – Kulturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrussland und Rumänien beinhaltet Skizzen und Reiseberichte aus Osteuropa. Auf dieser Grundlage entstanden auch seine Erzählungen und die Romane Die Juden von Barnow, Moschko von Parma und autobiographisch geprägt Der Pojaz.

Die Texte von Karl Emil Franzos wurden in 33 Sprachen übersetzt. Victor Klemperer notierte 1908 in sein Tagebuch: »Es dürfte aber fast ein Stückchen deutscher Ehrenpflicht sein, diesen Mann nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.« »ZweiGeist« ist eine Wortschöpfung von Walther Benjamin über Franzos, der dessen doppelte Identität als Deutscher und Jude charakterisieren wollte.

Einige Passagen gelesen

Oskar Ansull las einige Passagen aus dem Buch vor. Für den literarisch interessierten Leser bedeuten sie einen Einstieg in das Werk eines aus Galizien stammenden deutsch-jüdischen Schriftstellers. Er war der erste, der sich im deutschen Kulturbetrieb einen Namen machte.

Mit Joseph Roth, Manès Sperber, Paul Celan, Rose Ausländer, Selma Meerbaum-Eisinger, und Gregor von Rezzori fand er später berühmte literarische Nachfolger, die in Czernowitz oder Galizien geboren wurden.

Das bibliographisch sehr ansprechende Buch ergänzt mit einer CD hat 336 Seiten und ist beim Deutschen Kulturforum Östliches Europa in Potsdam erschienen. (ISBN-3-936168-21-0)

Erinnerung an fast vergessenen Literaten
Der Originalartikel in der Online-Ausgabe des Weser-Kuriers