Debatte im Deutschen Bundestag über das gemeinsame historische Erbe • Rede des FDP-Abgeordneten Hans-Joachim Otto

Internet-Seite des Abgeordneten • 17.12.2004

Rede zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion »Das gemeinsame historische Erbe für die Zukunft bewahren« und die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Bundestags-Drucksachen 15/2819 und 15/4191)

Frau Kollegin Dr. Vollmer, Sie sprachen davon, dass es ein Zeichen von Normalität ist, dass wir uns zum wiederholten Male veranlasst sehen, über dieses Thema zu sprechen. Nun, im Zusammenhang mit § 96 BVFG gibt es seit dem Jahre 1997 eine Kürzung der Fördermittel um mehr als die Hälfte.

Wir sind nicht bereit, diese Form von »Normalität« hinzunehmen. Deswegen sind diese Debatten notwendig.

Die Summen kann ich Ihnen nennen: 1997 waren es 27 Millionen Euro und im Jahre 2005 werden es gerade noch 12,9 Millionen Euro sein. Ich habe schon richtig gerechnet, dass die Kürzung mehr als 50 Prozent beträgt. Frau Kollegin Hilbrecht, Sie haben ja Recht, wenn Sie sagen, dass das Thema, über das wir heute sprechen, nicht nur die Betroffenen, also die Vertriebenen, sondern uns alle angeht. Aber gerade weil das so ist, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die nach § 96 BVFG geförderte Kulturarbeit nicht vorrangig zu einer Aufgabe von Wissenschaftlern und Museumsleuten wird. So wichtig die Bewahrung und Erforschung der Kultur und der Geschichte der Vertriebenen und der Vertreibungsgebiete auch ist: Sie darf sich nicht auf eine Musealisierung des Vergangenen beschränken, sondern sie muss vor allem die ehrenamtliche kulturelle Breitenarbeit fördern.

Dass in diesem Bereich die größten Kürzungen vorgenommen werden, widerspricht allen Zielen, deren Erreichung Sie immer wieder fordern. Ich meine, da muss in der Tat eine Anpassung des Konzeptes erfolgen. Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Einigung und in einer Zeit, in der ein Großteil der Vertreibungsgebiete Teil der Europäischen Union geworden ist, sind wir auf die Versöhnungsarbeit der Vertriebenen im besonderen Maße angewiesen. Wer könnte besser zum gegenseitigen Kennenlernen von Deutschen auf der einen Seite und Polen, Tschechen oder Rumänen auf der anderen Seite beitragen als die Vertriebenen, die ganz im Sinne von Marion Gräfin Dönhoff »ihre Heimat lieben, ohne sie zu besitzen«? Der Deutsche Bundestag ist verpflichtet, diese Bemühungen sowie insbesondere den Austausch von Jugendlichen und das gegenseitige Kennenlernen angemessen zu fördern.

Durch die erhebliche Kürzung der Mittel für die Kulturarbeit der Vertriebenen durch die Bundesregierung wird diese Aufgabe aber zumindest gefährdet; entsprechende Zahlen nannte ich schon. Ein Rückgang der Mittel um mehr als die Hälfte ist wirklich ein schwerer Schlag. Ich kenne keinen anderen Bereich im Haushalt, wo die Kürzungen so durchgreifend sind wie hier. Dahinter verbirgt sich mit Sicherheit auch politische Ideologie.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, obwohl wir meinen, dass einige Punkte nicht so ganz richtig sind. Eine Rückkehr zu den Förderstrukturen, wie sie vor 2000 bestanden, halte ich angesichts der weiteren Entwicklung für nicht unbedingt geboten. Aber angesichts der ständigen Kürzungen der rot-grünen Koalition halten wir es für notwendig, ein Zeichen für die Vertriebenenarbeit, für diese Kulturarbeit zu setzen. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu; denn die so genannte Neukonzeption darf nicht als Vorwand dafür dienen, dass die Mittel für die Kulturförderung nach § 96 BVFG von Jahr zu Jahr weiter heruntergefahren werden.

Das ist der zentrale Grund, weshalb wir dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zustimmen. Danke schön.