Editorial
Trockenrisse – wie sie auf unserem Titel zu sehen sind – entstehen, wenn der Boden durch übermäßigen Wasserverlust an Volumen verliert. An der Oberfläche entwickelt sich eine sogenannte Dehnungsspannung, die Erde platzt auf. Wir werden uns wohl in Zukunft an diesen Anblick gewöhnen müssen, denn durch den Klimawandel gehören extreme Hitze und Dürre bald auch in unseren Graden zur Tagesordnung, nicht nur im Sommer, wie die Winterdürre in Frankreich in diesem Frühjahr zeigte. Das vorliegende Heft widmet sich aus historischer und aus aktueller Perspektive dem Thema »Umwelt – Zwischen Sünde und Rettung«.
Nicht erst seit der Industrialisierung haben Menschen in die Umwelt und in die Naturabläufe eingegriffen. Schon im 17. und 18. Jahrhundert haben Siedler im östlichen Europa im Zuge von »kulturtechnischen Maßnahmen zum Zweck der Ertragssteigerung landwirtschaftlicher Böden«, wie Márta Fata vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen schreibt, für Landwirtschaft und Siedlung Feuchtgebiete trockengelegt. Von der Regulierung der Donau handelt der Beitrag von Daniela Apaydin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa in Wien. Sie beschreibt, dass schon zur Zeit der Habsburgermonarchie Ingenieure in der Donau großes wirtschaftliches Potenzial sahen und an einer Schiffbarmachung des Stroms arbeiteten. Folgen dieser Naturzerstörung sind bis heute zu spüren.
Mit den Konsequenzen einer besonderen Art der Umweltzerstörung beschäftigt sich der Journalist Dawid Smolorz. Er befasst sich mit den Ortschaften, die das Braunkohlebergwerk Turów im deutsch-polnisch-tschechischen Grenzgebiet an der Neiße verschlungen hat. Apropos Grenze: Der Breslauer Umweltaktivist Dominik Dobrowolski kennt den Grenzfluss Oder aus einer besonderen Perspektive, wie er KK-Redakteurin Renate Zöller im Interview verraten hat. Bei Paddeltouren auf der Oder und anderen Flüssen sammelt er seit Jahren Müll. Rudern lässt sich auch gut auf dem Frischen Haff, dessen Ökosystem sich KK-Redakteur Markus Nowak bei einer Recherchereise hat erklären lassen. Er wollte erkunden, wie ein neuer Kanal durch die Nehrung die Umwelt im Nordosten Polens beeinflusst.
Nicht unerwähnt lassen wollen wir als KK Redaktion einen Wechsel an der Vorstandsspitze unseres Herausgebers, des Deutschen Kulturforums östliches Europa: Im Juni wurde Winfried Smaczny nach 16 Jahren von Sabine Der es abgelöst. Er war bereits an der Gründung des Kulturforums im Jahr 2000 beteiligt und setzte sich stets für unsere Einrichtung und unser Team ein. Dafür danken wir ihm herzlich. Sabine Der es hat das Kulturforum als Referatsleiterin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien kennengelernt. Wir freuen uns auf sie als neue Vorstandsvorsitzende. Herzlich willkommen an Bord!
Nun aber viel Vergnügen beim Lesen!
Inhalt
Im Fokus
Epochen I
»Herren und Eigentümer der Natur« – Melioration im östlichen Europa
Von Márta Fata
Momente I
Fluch oder Segen? Was der »Durchstich« der Frischen Nehrung bedeutet
Von Markus Nowak
Neuigkeiten
- Den Urvater aller Apfelsorten schützen
- Über 132 000 Personen in Polen geben deutsche Nationalität an
- Graphic Novel über Kasachstandeutsche
- Siebzig Jahre Bundesvertriebenengesetz
- Wohin mit …?
Perspektiven
Atlantis Reichenau. Verschwundene Welten an der Neiße
Von Dawid Smolorz
Im Gespräch
»Die Oder verbindet uns nicht nur geografisch«
Interview mit Dominik Dobrowolski
Von Renate Zöller
Rezensionen
Wenn der Vater aus dem Fenster springt
Sabrina Janesch: Sibir, Rowohlt Verlag, Berlin 2023
Von Renate Zöller
Krieg und Zerstörung, Wiederaufbau und Prunk
Haus der Bayerischen Geschichte, Regensburg | Link zur Ausstellung
Von Christian Muggenthaler
Nelli und der Scheinmord am Ehemann
Elina Penner: Nachtbeeren, Aufbau Verlag, Berlin 2022
Von Larissa Mass
Momente II
»Schaffe, immer schaffe« – schwäbische Spuren in Georgien
Von Ira Peter
Perspektiven
Wer beherrscht den Donaustrom? Der Streit um Ressourcen
Von Daniela Apaydin
Veranstaltungen
Franz Domscheit/Pranas Domšaitis im Fokus
Ostpreußisches Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung, Lüneburg
22. April bis 17. September 2023 |weitere Informationen
Die Ostbahn im Fokus
Kulturzentrum Ostpreußen, Ellingen
18. März bis 3. September 2023 |weitere Informationen
Ausstellung über das geteilte Oberschlesien
Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen |weitere Informationen
Noch bis 31. Dezember 2023
Historische Karten zum Donauraum
Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm
26. April – 17. September 2023|weitere Informationen
Fundstück
»Ein Schlamm voller Überraschungen«
Von Aneta Łuczkowska