Kulturkorrespondenz östliches Europa – Ausgabe 1429
Ausgabe Mai/Juni 2022
Titelblatt der KK 1429 | Mai/Juni 2022

Editorial

Nebel liegt über dem Dnepr/Dnipro in Kiew/ Kyjiw. Nur einige Hochhäuser und die Mutter- Heimat-Statue überragen die Nebelschwaden. Die Figur wurde vor über 40 Jahren erbaut und soll an den sowjetischen Sieg im »Großen Vaterländischen Krieg« erinnern. Nun herrscht wieder Krieg in der Ukraine und für uns steht das Titelbild dafür, was seit dem 24. Februar passiert: Seit dem Angriff Russlands ballen sich schwere Wolken über der Ukraine.

Als wir uns Ende Februar im Team des Kulturforums entschieden haben, spontan eine Sonderausgabe zur Ukraine zu machen (und die Memel-Ausgabe zu verschieben), war es nicht abzusehen, wie sich der Krieg entwickeln würde. Wir sorgen uns um die vielen Menschen in der Ukraine, mit denen wir auch persönlich in Kontakt stehen; das Kulturforum hat in verschiedenen Projekten immer wieder die Kultur und die Geschichte der Ukraine mit den vielfältigen deutschen Bezügen thematisiert.

Nun, Wochen später, scheint ein Frieden in weiter Ferne zu liegen. Und die systematische Bombardierung von Städten sowie die Ermordung von Zivilisten lassen die Illusion eines »sauberen Krieges« gar nicht erst aufkommen. Aber der heroisch anmutende Widerstandskampf und ein – zumindest im Westen des Landes – teilweise einkehrender Alltag halten die Hoffnung lebendig. Wie auf dem Titelbild, wo bereits die Morgensonne zu sehen ist, die im Laufe des Tages den Nebel verdrängt.

Sie halten eine KK-Ausgabe in den Händen, die schnell entstehen musste und dennoch im Umfang gewachsen ist. Den Beginn macht ein Aufsatz von Prof. Dr. Katrin Boeckh, Mitglied im Vorstand des Kulturforums und Autorin einer Reihe von Veröffentlichungen über die Ukraine. Der Journalist Jan Opielka beschreibt in seinem Beitrag, wie sich Teile des Kulturbetriebs in Deutschland, Polen und der Ukraine auf die Flüchtlingssituation eingelassen haben. In Interviews halten wir zwei ukrainische Stimmen fest, die von Andrii Portnov, Professor für Entangled History of Ukraine in Frankfurt/Oder, und Oxana Matiychuk, Dozentin an der Universität Czernowitz/Tscherniwzi.

Das Kulturforum vergibt jährlich ein Stadtschreiber-Stipendium im östlichen Europa, zwei Mal bereits in der Ukraine: 2018 in Lemberg/ Lwiw und 2021 in Odessa/Odesa. Beide Stipendiatinnen, Barbara Thériault und Ira Peter, haben Artikel verfasst, in denen sie ihre Angst vor der Zerstörung zur Sprache bringen. Die Regionen Bessarabien und Ostgalizien behandeln die Beiträge von Larissa Mass und Marcin Wiatr. Und der in Pittsburgh lehrende Historiker Jan Musekamp führt in seinem Text die These aus, dass auch Deutschland Verantwortung für die Zukunft der Ukraine habe. Rezensionen zu Filmen und Büchern über die ukrainische Geschichte runden die Ausgabe ab.

Wir hoffen so, ein breites Spektrum an nicht alltäglichen Themen zur Ukraine abzudecken und Ihnen eine informative Lektüre zu bieten, die auch nachdenklich stimmt.

Ihre Redaktion

Inhalt


Im Fokus

Momente I
Ukrainisch-deutsche Beziehungen. Eine endlose Geschichte
Von Katrin Boeckh

Im Gespräch I
»Deutschland hat eine Verantwortung gegenüber der Ukraine«
Von Andrii Portnov

Perspektiven I
Kultur hilft

Von Jan Opielka

Neuigkeiten

Epochen I
Ukraine 1941, Ukraine 2022. Deutschlands Mitwirken an der Zukunft eines europäischen Staates
Von Jan Musekamp

Im Gespräch II
»Die große Vielfalt der Ukraine ist unser Reichtum«
Interview mit Oxana Matiychuk

Rezensionen

Schmelztiegel der Kulturen
Ausstellung: Vokiečių gatvė/Deutsche Straße in Wilna/Vilnius
Von Markus Nowak

Als die Dörfer verstummten
Die Hungersnot in der Ukraine in einem Film von Agnieszka Holland
Von Magdalena Gebala

Regionen mit schwersten Wunden und Traumata
Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin
Von Karl-Konrad Tschäpe

Momente I
Ljubow vor dem Aufzug
Von Barbara Thériault

Momente II
Odessas Herzschlag und die Sorge darum
Von Ira Peter

Perspektiven I
Deutsche Spuren in Bessarabien
Von Larissa Mass

Veranstaltungen

Fundstück

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