Deutsches Kulturforum östliches Europa vermittelt Geschichte des Ostens
Rüdiger Braun
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Potsdam feiert 2003 ein Jahr der Wissenschaften. Aus diesem Anlass stellt die Märkische Allgemeine Zeitung in einer Serie die wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt vor. Am 22. Dezember 2003 erschien in dieser Reihe eine Sonderseite über das Deutsche Kulturforum östliches Europa.

Damit aus Altem Neues wächst

Deutsches Kulturforum östliches Europa vermittelt Geschichte des Ostens
Leitartikel, Sonderseite der Märkischen Allgemeinen Zeitung, 22.12.2003

Auch manch gebildeter Gast hörte zum ersten Mal, dass die deutsche Prinzessin Elisabeth zu Wied 1869 nach ihrer Vermählung mit Karl von Hohenzollern-Sigmaringen nach Rumänien ging, wo sie erste Königin des aus den vereinigten Fürstentümern Moldau und Walachei entstandenen Rumänien wurde. Erst eine Kasseler Konferenz Ende November dieses Jahres brachte die Erinnerung an ein Stück europäische Geschichte zurück.

Die Tagung ist ein Beispiel, wie das Deutsche Kulturforum östliches Europa die durch zwei Weltkriege und den eisernen Vorhang verloren gegangene Zeit eines ursprünglich einheitlichen und multikulturellen Kontinents zurück ins öffentliche Bewusstsein holt. Dass die Einrichtung, die dem Recht nach ein eingetragener Verein, faktisch aber eine vom Bund getragene Institution ist, ihren Sitz in Potsdam hat, ist eigentlich eher einem Zufall zu verdanken. Das Haus Am Neuen Markt mit der Nummer Eins war gerade mit der Sanierung fertig geworden als das Kulturforum im Dezember 2000 gegründet wurde. Außerdem sollte die Institution möglichst weit im Osten Deutschlands liegen. In den zwei Jahren seines Bestehens hat sich das Kulturforum bestens in das geisteswissenschaftliche Ensemble am Neuen Markt eingefügt und arbeitet auch intensiv mit den dort versammelten Einrichtungen zusammen.

»Wir sind nicht im eigentlichen Sinne eine wissenschaftliche Einrichtung«, stellt die Leiterin des Kulturforums, Hanna Nogossek, klar. »Unsere Aufgabe besteht eher in der Vermittlung des gegenwärtigen Wissensstandes über Osteuropa.« Während Landeseinrichtungen wie das Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung oder das Moses Mendelssohn Zentrum für jüdische Studien vor allem eigene Forschung betreiben, sollen die sechs wissenschaftlichen Mitarbeiter des Kulturforums die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion über Kultur, Geschichte und Politik in Mittel- und Osteuropa beobachten und die Ergebnisse in eine breite Öffentlichkeit tragen. Dazu veranstalten sie Tagungen, konzipieren Ausstellungen, betreuen eine Internetseite, organisieren Preisverleihungen und geben auch Buchpublikationen heraus.

»Europa hat sich in den letzten 15 Jahren sehr geändert«, erklärt Leiterin Nogossek den kulturpolitischen Hintergrund für den neuen Verein. »Die Deutschen sollten im Zuge der europäischen Vereinigung ein Interesse daran haben, das östliche Europa kennen zu lernen.« Denn die Geschichte, so Nogosseks Überzeugung, wirkt in die gegenwärtige Politik mit hinein. Ob nun die Einrichtung eines Zentrums gegen Vertreibung debattiert wird, ob es um die Frage nach den Benes-Dekreten in Tschechien geht oder um das Problem der Stimmengewichtung in der erweiterten EU. »Wir müssen ein Interesse daran haben, etwas zusammenwachsen zu lassen«, so Nogossek. Das gelinge aber nur durch eine breite Diskussion der europäischen Geschichte. »Die Frage ist, was können wir aus dieser Geschichte herausziehen«, so Nogossek. »Das neue Europa ist nicht zu schaffen, ohne dass wir wissen, woher wir kommen. Deshalb müssen wir über alles sprechen, auch über die historische Last.«

Solche Gedanken werden wohl auch den ersten Bundesbeauftragen für Kultur und Medien, Michael Naumann, nach 1998 bewogen haben, die Gründung eines Vereins anzuregen, der sich unabhängig der Vermittlung des Wissens über diese Region widmet, und diesen Verein vollständig mit Bundesmitteln zu fördern. Inzwischen sind Veranstaltungen wie die Reihe Potsdamer Forum oder Bücher der Serie Potsdamer Bibliothek östliches Europa feste Bestandteile eines nicht nur von der hiesigen Bevölkerung geschätzten Programms. Das Kulturforum bietet auch Tagungen im Ausland zusammen mit Universitäten, Museen oder Goethe-Instituten an. Nogossek räumt ein, dass der Versuch, bildungspolitisch in die Breite zu wirken, manchmal einer Sysiphosarbeit gleicht. Doch das wachsende Interesse an der Arbeit des Kulturforums ermutigt sie auch: »Wenn wir nur zehn Leute in einem Jahr zum Nachdenken bringen, haben wir schon viel erreicht.«

Damit aus Altem Neues wächst
Der Originalartikel in der Online-Ausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung

Foto: Portal nach Osteuropa: Eingang zum Deutschen Kulturforum am Neuen Markt 1