Grenznahe Perspektive: Das Verhältnis der polnischen Hafenstadt Szczecin zu seinem deutschen Umland
Jan Kixmüller

Potsdamer Neueste Nachrichten • 25.02.2006

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten.

Berlin. Eine engere Zusammenarbeit zwischen der polnischen Hafenstadt Szczecin (Stettin) und der Region Berlin-Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern hat der ehemalige Ministerpräsident Brandenburgs Manfred Stolpe (SPD) gefordert. Auf einer Podiumsdiskussion des Deutschen Kulturforum östliches Europa (Potsdam) nannte er die geopolitische Lage zwischen Deutschland und Skandinavien als Chance für die 400.000-Einwohner Stadt. Mit seinem große Hafen könne Stettin gerade bei der wachsenden Bedeutung der Schifffahrt eine Rolle spielen. »Dafür muss allerdings die Infrastruktur um die Stadt, die Wasser- und Schienenwege massiv ausgebaut werden«, sagte der ehemalige Bundesverkehrsminister Stolpe, der selbst in Stettin geboren wurde.

Gerade in den Bereichen Short-Shipping und Logistik sieht Stolpe eine Zukunft für Stettin. Inwieweit diese Perspektive in engerem Verhältnis zu den deutschen Nachbarregionen stehen wird, ist derzeit aber noch vollkommen offen. In Berlin-Brandenburg ist es kaum bekannt, dass die Stadt eine Werft hat, die zu den 25 größten der Welt zählt, ganze 19 Hochschulen ihr eigen nennt und in den 90er Jahren teilweise ein Arbeitslosenquote von unter sechs Prozent aufzuweisen hatte.

Wie verbindet sich diese Metropole, die mehr Einwohner hat als die großen Städte Mecklenburg-Vorpommerns zusammen mit der Region Berlin-Brandenburg? Von einer grenznahen Erfolgsgeschichte spricht der Bevollmächtigte des Landes Brandenburg beim Bund, Gerd Harms. So sei beispielsweise das Krankenhaus Schwedt heute Ausbildungskrankenhaus für Medizin-Studenten aus Stettin. Der gesamte Nordosten Brandenburgs beziehe sich historisch auf Stettin, so Harms . »Wir dürfen nicht mehr in Halbkreisen denken«, fügte er hinzu. Allerdings müsse auch die Stadt Stettin Beziehungen zum Großraum Berlin-Brandenburg aufnehmen. So erhofft man sich auf Brandenburger Seite auch eine Unterstützung der polnischen Sprachausbildung in Deutschland. Für Ende April kündigte Harms eine Oder-Konferenz an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder an, auf der auch die Idee einer gemeinsamen Oder-Region diskutiert werden kann.

Die unmittelbare Nachbarschaft zwischen Stettin und Berlin mit den dazwischen liegenden Regionen Vorpommern und Brandenburg war immer schon von einem regen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch geprägt. Der Stettiner Hafen spielte eine zentrale Rolle für den Handel in der Region. Bereits von 1843 an waren Berlin und Stettin durch eine Eisenbahnstrecke verbunden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der Vertreibung der Deutschen, einem vollkommenen Austausch der Bevölkerung und der Errichtung des Eisernen Vorhangs kam dieser Austausch vollständig zum erliegen.

Das Potsdamer Kulturforum östliches Europa hat sich dem Thema nun angenommen: »Nach dem Ende des Kommunismus und dem polnischen EU-Beitritt eröffnete sich die Möglichkeite, dass Stettin seine Rolle als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Region wieder erlangt«. Auf der Podiumsdiskussion in der Brandenburgischen Landesvertretung in Berlin war schnell klar, dass es noch ein weiter Weg bis zur Herausbildung einer neuen, grenzüberschreitenden Identität ist. Allerdings sieht der Marschall der Woiwodschaft Westpommern, Zygmunt Jan Meyer, in der Euroregion Pomerania einen ersten Anfang. »Die heutigen Stettiner haben zudem ein Gefühl für die komplexe Geschichte ihrer Stadt entwickelt«, sagte er.