Volker Koepp erhielt für seine Filme den Dehio-Preis. Studiert hatte er einst an der Potsdamer HFF
Jan Kixmüller
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Ein grandioser Pessimist: Herr Zwilling in Volker Koepps Film Herr Zwilling und Frau Zuckermann
Volker Koepp

Potsdamer Neueste Nachrichten • 25.11.2005

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten.

Herr Zwilling kommt jeden Abend, sagt Frau Zuckermann. Und jeden Abend bringt er eine schlechte Nachricht mit. »Ohne eine Hiobsbotschaft kommt er nicht«, sagt die 90-Jährige. Herr Zwilling ist vielleicht 20 Jahre jünger, auch er ist einer der letzten Überlebenden der deutschstämmigen Juden im heute ukrainischen Czernowitz. Und er ist ein grandioser Pessimist. Seine Mutter habe ihm schon gesagt, er sei ein Pessimist, habe aber leider meist Recht.

Herr Zwilling steht vor einem Haus mit palastartiger Fassade. »Es ist wie ein Traum«, sagt er mit seinem leicht österreichisch gefärbten Akzent, immer etwas Hoffnungslosigkeit in der Stimme. »Ich kann selbst nicht fassen, dass ich hier einmal gewohnt habe«, sagt er weiter. »Dem Schicksal kann man wirklich nicht entgehen. So ist das Leben.« Herr Zwilling und Frau Zuckermann wirken heute in dem einst zu Österreich, dann zu Rumänien, dann zur Sowjetunion, dann zu Deutschland, dann wieder zur Sowjetunion und heute zur Ukraine gehörenden Czernowitz wie Fremde. Sie sind Überbleibsel einer untergegangenen Kultur.

Volker Koepp hat den beiden Figuren in seinem Film Herr Zwilling und Frau Zuckermann (Kamera Thomas Plenert) ein leises Denkmal gesetzt. Es ist nicht sein einziger Film, den er seit der Wende im östliche Europa, das er liebevoll »Ostelbien« nennt, gedreht hat. Vom ehemaligen Ostpreußen über Pommern bis nach Czernowitz in der Bukowina ist er mit seinem Drehteam gezogen und hat Begegnungen mit Menschen festgehalten. Meist Menschen, die noch eine andere Zeit dort erlebt hatten, die dort nach den Verwerfungen des Krieges und den Vertreibungen hängen geblieben sind. Der selbst als Kind aus Stettin vertriebene Koepp porträtiert ehemalige und heutige Bewohner in Gegenden Osteuropas, die in den vergangenen 60 Jahren vollkommen umgekrempelt wurden. Er schlägt Brücken zwischen gestern und heute. Dafür hat das Deutschen Kulturforum östliches Europa, das sich der deutschen Kulturgeschichte östlich der Oder angenommen hat, den Filmemacher am Mittwoch mit dem Georg Dehio-Kulturpreis geehrt.

Sein Handwerk hatte der heute 61-jährige Koepp einst an der Potsdamer Filmhochschule HFF erlernt. Kein gradliniger Weg. Nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser und einem Studium an der Technischen Universität Dresden kam Koepp 1966 an die Deutsche Hochschule für Filmkunst in Babelsberg. Ein erstes Filmprojekt über Majakowski führte ihn in die Sowjetunion. »Wir sind nach Georgien gefahren und haben versucht, Majakowskis Geburtsort zu finden. Haben das auch geschafft. Es war eine ganz abenteuerliche Reise«, erinnert sich Koepp. Zwei Monate waren sie unterwegs mit zwei Taschen, eine für die Kamera, eine fürs Filmmaterial. Eine Arbeitsweise, von der Koepps Filme heute noch zu leben scheinen.

1968 sollte Koepp dann plötzlich exmatrikuliert werden. Seine Freundschaft mit Thomas Brasch, der Flugblätter gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die ČSSR verfasst hatte, wurde ihm vorgehalten. Koepp sollte sich in der Produktion bewähren. Das konnte er abwenden, was blieb war eine Strafarbeit, ein Film über die Arbeiter. »Den habe ich gemacht. Und dann hat mir diese Art zu arbeiten ganz gut gefallen«, so Koepp. 1970 bekam der Regisseur eine Anstellung im DEFA-Studio für Dokumentarfilm. Bis heute ist er seinem Genre treu geblieben. Und auch heute noch sagt man ihm die DEFA-Schule nach. Nicht von ungefähr kam der Vorschlag für den Dehio-Preis auch aus dem Potsdamer Filmmuseum.

Volker Koepp hat tatsächlich einen anderen Stil, da sind beispielsweise die langen Einstellungen, die langsamen Schwenks über Landschaften, Häuser oder voll besetzte Busse im Schneeregen. Und dann verharrt die Kamera auf einem Menschen, seinem Gesicht, lässt ihn erzählen, singen, kochen. Koepp hat keine sensationslüsternen Reportagen aus dem Wilden Osten mitgebracht. Eher sucht er das Kleine als das Große, wobei er aber immer wieder dabei auch das Große im Kleinen entdeckt. Die Wende hat er genutzt. Während er in DDR-Zeiten seine Filme in Wittstock und Rheinsberg drehte, konnte er nun in die Gegenden Osteuropas reisen, die zuvor auch Ostdeutschen verschlossen waren.

Was die Filme von Volker Koepp auszeichnet? Im Film verschwindet er hinter der Kamera, nur hin und wieder hört man ihn Fragen leise in die Szene raunen. »Und was bedeutet ihnen Heimat?«, fragt er Frau Zuckermann. Als sie seine Frage nicht versteht, muss Koepp noch einmal nachhaken. Durch diese eher unfreiwilligen Kunstpausen steigt die Authentizität des Films. Manchmal schweigen die Personen auch lange, intime Momente der Nähe entstehen, man nähert sich dem Kern von Koepps Beobachtungsgabe: Er respektiert und vertraut seinen Figuren, wahrt zugleich aber eine bestimmte Distanz. So ermöglicht er auch dem Zuschauer zum geduldeten Eindringling zu werden. Als Frau Zuckermann Herrn Zwillings Pessimismus anspricht, lächelt dieser ein wenig verlegen. Die Kamera scheint er längst vergessen zu haben.



Von Volker Koepp ist der Film Pommerland am Dienstag, 29. November im Filmmuseum zu sehen (20 Uhr), anschließend Filmgespräch mit dem Regisseur.