Juraj Heger aus Bratislava über die slowakische Literatur im Lichte der EU
Jan Kixmüller

Potsdamer Neueste Nachrichten • 06.10.2004


Serie: Neue Zeiten im Osten

Heute: Slowakei

Seit Mai sind acht Länder des östlichen Europa Mitglieder der EU. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa pflegt enge Kontakte in die Beitrittsländer. Die PNN wollten von den Partnern wissen, was sie von der neuen Zeit erwarten.


Juraj Heger (42) ist Leiter des Verlages Slovart in Bratislava, der unter anderem ein breites Spektrum ausländischer und slowakischer Belletristik, Kunstbände und Kinderbücher herausgibt.

Was ändert der EU-Beitritt der Slowakei für Sie?

Kurzfristig wird sich für mich als Verleger in der Slowakei unmittelbar natürlich nicht viel verändern. Der Buchmarkt ist in solch einem Maße an die Landessprache gebunden, dass die Öffnung der Grenzen allein keinen sofortigen Einzug der Konkurrenz bedeutet. Selbstverständlich werden sich bei uns immer mehr ausländische Verlagsgruppen etablieren, was für die slowakischen Verleger ein Problem werden kann, aber zugleich bringt das sicherlich Bewegung in unsere sehr langsame und konservative Bücherwelt.

Und was die slowakische Literatur betrifft?

Ich erwarte ein zunehmendes Interesse an slowakischer Literatur und Kultur in den übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Ich nehme an, dass wir zur Zeit für diese ein eher unbekanntes Beitrittsland sind und es wäre unlogisch, wenn diese einseitige kulturelle Isolation lange anhalten würde. Ich persönlich fühle mich schon lange als ein Bestandteil Europas – ich reise frei umher und habe die Möglichkeit, alles zu entdecken, was mich interessiert.

Was ändert sich im Verhältnis zu Deutschland?

Mein persönliches Verhältnis zu Deutschland wird sich durch den Beitritt sicherlich nicht ändern. Ich hatte dort immer viele Freunde – in den achtziger Jahren besonders in der DDR, später auch anderswo. Viele meiner wichtigsten Verlagspartner sind Deutsche. Fünfzehnmal habe ich an der Frankfurter Buchmesse teilgenommen und Frankfurt ist für mich ein Synonym für die Welt der Bücher. Ich spreche ein wenig Deutsch, so dass ich mich in Deutschland in keiner Weise unwohl fühle.

Welche Rolle spielen die deutschen Kulturdenkmäler in der Slowakei?

In der Slowakei weiß jeder, dass bei uns eine deutsche Minderheit lebt – zwar nicht groß, aber mit einer langen Tradition. In den Schulen lernt man die Entwicklungsgeschichte der slowakischen Bergbaustädte im Mittelalter, an der die Deutschen in bedeutendem Maße beteiligt waren. Es ist wahr, dass man sich heute deutlicher bewusst macht, welche Elemente unserer Kulturgeschichte, was die Architektur, die bildende Kunst oder die Musik betrifft, deutsch sind – aber zum Beispiel auch ungarisch, österreichisch oder tschechisch. Diese Vergegenwärtigung wird etwas durch die Tatsache gebremst, dass nur sehr wenige Teile des Kulturerbes als rein slowakisch bezeichnet werden können.

Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?

Dadurch, dass die Slowakei niemals als selbstständiges Land existiert hat, verbindet sich ihre gesamte Geschichte mit Einflüssen anderer, größerer Völker. Damit wir uns also ein wenig »wir selbst« fühlen können, müssen wir das aufnehmen, was uns andere hier hinterlassen haben, darunter auch die Deutschen. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Ansichten der verschiedenen in der Slowakei lebenden Generationen bezüglich dieser Wahrnehmung unterscheiden – vielleicht mit Ausnahme der Allerältesten. Hinsichtlich ihrer Wurzeln ist die Slowakei eine so heterogene Gesellschaft, dass uns das ganz natürlich erscheint.