Robert Traba
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Der deutsch-polnische Dialog in der Geschichtsschreibung dauert schon viele Jahre. Nach der Wende 1989/90 verbreitete sich in vielen Kreisen die Meinung, dass die neuen Mechanismen der Demokratisierung der Öffentlichkeit und das Verschwinden des Eisernen Vorhangs automatisch auch die deutsch-polnischen historischen Kontroversen verschwinden lassen würde. In Wirklichkeit hat sich dieser Prozeß nur in einigen Bereichen vollzogen. Zur öffentlichen Debatte stehen heute Themen, die bisher aus politischen Gründen »verboten« waren. Es entstand ein authentischer Bedarf, die verlorene Zeit nachzuholen – vor allem in den Forschungen an der neuesten Geschichte.

Ist es wirklich in den letzten 10 Jahren gelungen, eine neue Qualität in der polnischen und der deutschen Rezeption der »gemeinsamen Geschichte« zu schaffen? Ich persönlich habe manchmal den Eindruck, dass der deutsch-polnische Dialog in den Forschungen der neuesten Geschichte und der nationalen Prozesse nicht die Ebene des »guten Willens« zu überschreiten vermochte, und dass die angebrachte Vertiefung und Erweiterung des gemeinsamen Katalogs der zu untersuchenden Fragen nach wie vor fehlen. Manchmal scheint es mir, dass in manchen Fällen nach alten Schemata, wenn nicht nach Vorurteilen gedacht wird. Alte Thesen der »anderen Seite« werden oft ohne notwendige, moderne methodologische Kritik übernommen. Parallel dazu entstehen allerdings neue, interessante Erscheinungen und Forschungsprojekte.

Ich bereite eine Sonderausgabe der Zeitschrift »Borussia« vor, die zum ersten Mal ausschließlich den Problemen der Geschichtsschreibung gewidmet werden soll. Mir wäre es sehr wichtig, dass Sie sich an der von der Redaktion erstellten Umfrage beteiligen. Dazu haben wir bedeutende Kenner der Problematik eingeladen. Aus sich dabei selbst ergebenden Gründen werden wir von zwei Faktoren eingeschränkt: Angesichts des beschränkten Umfangs des Borussia-Heftes konnten wir zu unserer Diskussion nicht alle einladen, die in dieser Frage »etwas« zu sagen haben. Wir haben also die Auswahl getroffen, die 2 Paritäten berücksichtigt: die nationale und die Generationsparität. Die zweite Einschränkung bezieht sich auf den Umfang der einzelnen Texte: er sollte 5 Seiten nicht überschreiten. Die Form der Aussage überlassen wir Ihnen.

Folgende Fragen möchten wir zur Diskussion stellen:

  1. Wo liegt das wichtigste Problem in der Kommunikation zwischen polnischen und deutschen Historikern?
  2. Könnten Sie diejenigen methodologischen Räume nennen, die neue Impulse für zukünftige Forschungen geben könnten? (bitte nennen Sie auch konkrete Beispiele)
  3. Beobachten Sie das Problem der »Generationsänderung in der Rezeption der deutsch-polnischen Beziehungen«? Wenn ja, worin besteht »das Neue« im deutsch-polnischen Dialog und was ist das »Alte«?

[Die Titel der einzelnen Texte der Umfrage stammen von der Redaktion]