Rezension | Das Russlanddeutsche Diarama – nemcy.dekoder.org – ist ein Projekt der Internetplattform dekoder und des Nordost-Institut –Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa in Lüneburg. Online ging es am Tag der deutschen Einheit 2020
Januar/Februar 2021 – Kulturkorrespondenz östliches Europa № 1421
1
Das Diarama ist ein grafisch ansprechendes Online-Dossier. Screenshot: Deutsches Kulturforum

Von Larissa Mass

Dieses Dossier erzählt Geschichten rund um eine der größten Einwanderungsgruppen in Deutschland, über die wenig bekannt ist, Geschichten rund um das »Russlanddeutschsein«. Dazu tragen in den kommenden Monaten Wissenschaftler, Journalisten, Studierende und Zeitzeugen bei, indem sie Bilder, Texte und Tonbeiträge auf Deutsch und Russisch publizieren.

Aktuell lässt sich auf der Webseite ein buntes Potpourri an Eindrücken finden: Eine historische Einführung über die Russlanddeutschen wie auch eine Auflistung zu häufig gestellten Fragen und ihre Beantwortung: Wie verhält es sich mit Russlanddeutschen und der AfD, ist der Begriff Migrant im Fall der Russlanddeutschen angebracht, und wie erkennt man überhaupt die Gruppe der Russlanddeutschen? Jannis Panagiotidis, der seit Jahren zu Russlanddeutschen forscht, klärt über Halbwissen, Vorurteile und Klischees auf und berichtet auch über die Herausforderungen für die Wissenschaft, wenn es um Studien zu Russlanddeutschen geht.

Ein Highlight ist ein Blick in die Fotoalben. Die Familien Paul, Epp, Vilman und Frank haben persönliche Bilder aus der Zeit der Sowjetunion herausgeholt. Die Einblicke sind untermalt mit Interviews von Familienmitgliedern, die die Bilder und den Alltag in der Sowjetunion erklären: das Arbeiten auf dem Feld, Ausflüge in die Natur und den unerwarteten Fund einer Raketenkapsel in der kasachischen Steppe.

Mit dem Shiguli in die Pilze: Ein Highlight ist ein Blick in die Fotoalben. Screenshot: Deutsches KulturforumMit dem Shiguli in die Pilze: Ein Highlight ist ein Blick in die Fotoalben. Screenshot: Deutsches Kulturforum

Die Autorin und Kulturjournalistin Merle Hilbk erzählt in dem Essay Meines Vaters Land von ihrer eigenen Sehnsucht nach dem Osten, ihrer persönlichen Annäherung an ihre russlanddeutschen Verwandten und von der Wanderungsgeschichte ihrer Vorfahren. Es ist für sie auch eine Spurensuche an der Wolga mit philosophischen Fragen: Wie bestimmen äußere Umstände mit, welche Identität wir uns geben und welchem Strang einer vielschichtigen Biografie wir folgen?

Ebenfalls lesenswert ist eine Artikelreihe, die von dem Moskauer Stadtmagazin The Village übernommen wurde und unterschiedliche Deutschstämmige in Moskau vorstellt.

Am Ende kann man auf der Webseite sein eigenes Wissen über Russlanddeutsche in einem Quiz testen, in dem Fragen zur derzeit berühmtesten Russlanddeutschen, Helene Fischer, zu Rezepten und Auswanderungsgeschichten gestellt werden. Egal, ob man im Quiz am Ende glänzen möchte: Es lohnt der Blick in das Dossier, da ein gutes Basiswissen über die Russlanddeutschen vermittelt wird, aber auch bereits an der Thematik Interessierte aufschlussreiche Aspekte kennenlernen.

Russlanddeutsches Diarama. Erinnerungen, Identitäten und Migrationsgeschichten
nemcy.dekoder.org