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Der Regisseur Volker Koepp in Berlin. © Markus Nowak

Volker Koepp wurde 1944 in Stettin/Szczecin geboren und wuchs in Berlin auf. Er studierte zunächst Maschinenbau, bevor er 1969 ein Regiestudium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg aufnahm. Von 1970 bis 1990 wirkte er am DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Internationale Aufmerksamkeit erlangte Koepp mit dem Wittstock-Zyklus (1974–1997). Als Filme-macher wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. 2005 mit dem Georg-Dehio-Preis für sein Lebens-werk und 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Die Fragen stellte Markus Nowak.

Sie stammen aus Stettin/Szczecin und Ihre Filme handeln häufig vom östlichen Europa. Ist es die Sehnsucht nach der Region, die Sie antreibt?
An Stettin selbst habe ich keine Kindheitserinnerungen. Ich war anderthalb Jahre alt, als meine Mut-ter mit meinen drei Schwestern und mir auf die Flucht gegangen ist. Danach ging es ja eigentlich immer nur darum, wie mein Heimatort geschrieben wird. Ich selbst galt manchmal sogar als polni-scher Regisseur. Für mich war die Region aber nie ein Sehnsuchtsort im eigentlichen Sinn.
Erst später habe ich dann, auf dem Umweg über die Literatur, begonnen, mich dafür zu interessie-ren. Als ich 1993 zum ersten Mal ins ehemalige nördliche Ostpreußen/Kaliningrader Gebiet reisen konnte, habe ich einen Film darüber gemacht, in dem auch Johannes Bobrowski mit einem Gedicht zu Wort kam: Kalte Heimat. Diese Gegend, nunmehr Kaliningrader Oblast, wurde dann der eigentli-che Gegenstand meiner Sehnsucht. In Ostberlin, wo ich wohnte, wurde das Bewusstsein der Spal-tungen und Risse, die jene Landschaft durchzogen, wachgehalten.

Der aus Ostpreußen stammende Dichter Johannes Bobrowski spielt immer wieder eine Rolle in Ihren Filmen …
Nach Beendigung der Filmhochschule habe ich der DEFA einen Film über Bobrowski vorgeschlagen. Ich hatte ihn als Student einmal kurz erlebt. Bei den Filmarbeiten haben wir es sogar geschafft, in die litauische Sowjetrepublik zu kommen. Bobrowskis Sicht auf die dortige Landschaft und auf das Verhältnis der Deutschen zu den Nachbarn hat mich stets interessiert. Durch meine Frau wurde ich außerdem auf Parallelen zwischen Bobrowski und Paul Celan aufmerksam, auf Dichtung von Hei-matlosen aus »Sarmatien«, der Landschaft von Tilsit bis ans Schwarze Meer, wie sie Bobrowski in den Blick genommen hat.

Überthema Ihrer Filme sind jedoch immer Landschaften. Warum?
Die Landschaft gehört einfach zum Menschen – Wolken, Meer, weite Blicke, das ist nicht Verklärung, sondern Lebenswirklichkeit. Und was dazwischen passiert und worüber Menschen reden, das ist das Gegenteil von Verklärung. Dennoch trägt die Natur auch immer Hoffnung mit sich. Es gibt ja mitt-lerweile den »neuen Heimatfilm« – und ich bekenne mich zur Bedeutung der Landschaft als Kompo-nente des menschlichen Wesens.

Sie bereisten das östliche Europa schon zu Mauerzeiten. Wie hat sich die Sicht auf das deutsche Kulturerbe seitdem verändert?
Das Kulturerbe, auch das deutsche, ist dort präsenter denn je. Die Zeiten des Kalten Krieges, der auch dieses eingefroren hatte, sind vorbei. Die deutsche Prägung jener Gefilde kann und soll ins Bild gerückt werden. Revanchismus wird einem dafür längst nicht mehr unterstellt. Als meine Kalte Heimat 1995 bei der Berlinale gezeigt wurde, war das noch ein relativ brisantes Unterfangen: Ich wurde sogar gefragt, ob ich Ostpreußen denn wiederhaben wolle.
Das hat sich allerdings von Grund auf geändert, und ich kann meine Filme unbeschadet in Polen oder in Tilsit/Sowetsk zeigen. Das ist, ganz nebenbei, auch eine aufklärerische Arbeit, nicht nur dort, sondern beispielsweise auch in Paris. Denn es herrscht immer noch flächendeckende Ahnungslosig-keit. Allerdings begannen zahlreiche Kollegen sich des Gegenstands anzunehmen, jenseits politischer Vorurteile.

Was ist die Intention Ihrer Filme und damit Ihre eigene?
Ich rede mit Menschen, begleite sie ein Stück ihres Lebenswegs, suche sie manchmal in zeitlichen Abständen wieder auf, und so wird deutlich, was historisch dort passiert ist. Hintergrund meiner Arbeit ist stets die Geschichte, ich aber will von der Gegenwart her erzählen. Auch Seestück vermit-telt das Gefühl einer Reise, zugleich aber auch den Eindruck davon, wie so etwas entsteht, sich ent-wickelt, auch von meinem eigenen Verhältnis zu den Protagonisten.
Da meine Gesprächspartner meist Leute sind, die ich mag, fällt es mir nicht schwer, sie den Zu-schauern durch die Darstellung zu empfehlen. Natürlich muss ich mir die Arbeit aufgrund der be-schränkten Drehzeit genau einteilen, dennoch hoffe ich immer wieder auch auf glückliche Zufälle und spontane Erlebnisse, die dem Film eine eigene Lebendigkeit verleihen können, denn schon Willibald Alexis sagte: »Der Reisende, der schon alles weiß, sieht unterwegs nichts mehr.« Und ich möchte sehen und die Zuschauer sehen lassen.

Was treibt Sie an, immer wieder zu den Landschaften zurückzukehren?
Um auf Bobrowski zurückzukommen: Mit Schilderungen über ihn und alles um ihn möchte ich mei-nen Landsleuten und allen anderen erzählen, was sie nicht wissen: dass es eine Zeit gegeben hat, wo sie hier alle zusammen gelebt haben, Russen, Polen, Litauer, Deutsche und die Judenheit, wie Bobrowski sie nennt. So wirkt manches wie aus der Zeit gefallen – verändern kann man mit filmi-schen Bildern nichts, aber Aufmerksamkeit erregen schon. Wer Geschichten von Menschen hört und sieht, kann auch eher etwas anfangen mit dem, was er aktuell in der Zeitung liest.

Und persönlich?
In diesen Gegenden fühle ich mich auch behaust, sie ist mir sehr heimatlich, was auch damit zu tun hat, dass man Menschen kennt und immer weitere kennenlernt. So wird die Gegend auch wieder Teil des eigenen Lebens.

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