Dr. Claudia Tutsch (Text) und Mathias Marx (Fotos)
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Das Deutsche Kulturforum östliches Europa zeichnete am Abend des 13. Oktober 2009 Dr. Christoph Machat (3. v. l.) mit dem Hauptpreis und Zbigniew Czarnuch (2. v. l.) mit dem Ehrenpreis des Georg Dehio-Kulturpreises 2009 aus. Links Dr. Ingeborg Berggreen-M
Mehr als 350 Gäste waren der Einladung des Deutschen Kulturforums zur Preisverleihung im Atrium der Deutschen Bank in Berlin-Mitte gefolgt. Das musikalische Rahmenprogramm gestaltete das saxofonquadrat.
Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Machat erhielt den Preis für sein Engagement für die Erfassung und Dokumentation der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaften.
Für seine Forschungen und Initiativen zur Erhaltung und Vermittlung der Kulturlandschaft Neumark | Nowia Marchia wurde der polnische Publizist und Regionalhistoriker Zbigniew Czarnuch ausgezeichnet.
saxofonquadrat: (v. l.) Hinrich Beermann (Baritonsaxofon), Clemens Arndt (Altsaxofon), Clemens Hoffmann (Sopransaxofon) und Christian Raake (Tenorsaxofon)
Empfang nach der Preisverleihung

Bericht und Impressionen

In einem feierlichen Festakt wurde Dr. Christoph Machat und Zbigniew Czarnuch der georg dehio-kulturpreis 2009 des Deutschen Kulturforums östliches Europa überreicht. Unter den rund 350 Gästen waren Gesandte der Botschaften Rumäniens Mihai Ciompec und der Republik Polen Wojciech Pomianowski, der Staatssekretär für Minderheitsfragen der rumänischen Regierung Prof. Dr. Zeno-Karl Pinter und Frau Dr. Angelica Schwall-Düren, MdB und Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e.V., sowie zahlreiche Freunde und Kollegen der Preisträger. Aus Polen waren zusammen mit Wegbegleitern von Zbigniew Czarnuch der Bürgermeister seiner Heimatstadt Witnica/Vietz (Andrzej Zabłocki) sowie der Präsident der Euroregion Spree-Neisse-Bober (Czesław Fiedorowicz) angereist.

Dr. Doris Lemmermeier, Direktorin des Deutschen Kulturforums östliches Europa begrüßte die Gäste. Anschließend überreichte Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel, Abteilungsleiterin beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Preisträgern ihre Urkunden. Die Laudationes hielten Prof. Dr. Michael Petzet und Dr. Krzysztof Wojciechowski. Die musikalische Umrahmung bestritt das saxofonquadrat.

Eine siebenköpfige Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jörg Haspel, Landeskonservator und Direktor die Landesdenkmalamtes Berlin, hatte am 8. Mai dem Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Machat den Hauptpreis des georg dehio-kulturpreises zuerkannt. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der im siebenbürgischen Schässburg / Sighişoara geborene Christoph Machat durch sein herausragendes Engagement wesentlich zur Erforschung und Erhaltung des siebenbürgisch-sächsischen bauhistorischen Erbes beigetragen hat. Sein besonderes Interesse gilt der ländlichen Architektur. Einzigartig und richtungsweisend ist die vom ihm initiierte und herausgegebene zweisprachige denkmaltopografie siebenbürgen – topografia monumentelor din transilvania, die flächendeckende Bestandsaufnahme des denkmalwerten Kulturgutes in den von den Deutschen geprägten Kulturlandschaften Siebenbürgens, die die historische Bausubstanz in einem Umfang und einer Qualität dokumentiert, wie sie für kein anderes der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete in Ost- und Südosteuropa vorliegt.

Durch die notwendige Zusammenarbeit mit den rumänischen Denkmalbehörden und Kulturinstitutionen sowie von rumänischen und siebenbürgischen Fachleuten wurde denkmalpflegerisches Know-how vermittelt. Gleichzeitig wurde ein Bewusstsein für die Bedeutung des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes sowie die Verantwortung für dessen Erhaltung bei den rumänischen Behörden geschaffen. Aufgrund des in hohem Maße verdienstvollen Wirken des Preisträgers konnten auch viele konkrete Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an besonders bedrohten Denkmalen durchgeführt werden.

Prof. Dr. Michael Petzet, Ehrenpräsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) und Präsident von ICOMOS Deutschland würdigte in seiner Laudatio die Verdienste von Christoph Machats um die Erhaltung und Dokumentation des Kulturerbes der von Deutschen geprägten Siedlungsgebiete in Siebenbürgen:

»Die nach dem Sturz des Diktators Ceauşescu im Dezember 1989 einsetzende Auswanderungswelle der deutschen Bevölkerung Rumäniens zwang […] zur raschen Umsetzung des […] Projekts »Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter«. Unermüdlicher Motor dieses Projekts war Christoph Machat […]. Geplant war […] eine möglichst flächendeckende Bestandsaufnahme des gesamten Kulturerbes der deutschen Siedlungsgebiete Siebenbürgens […] Für die Durchführung des Projekts, das alle Orte in ihrer Gesamtheit dokumentiert, also nicht allein den deutschen Siedlungskern, sondern auch die rumänischen oder ungarischen Ortsteile, konnte Machat das rumänische Denkmalamt in Bukarest, die Kunstakademie und die Architekturhochschule »Ion Mincu« Bukarest, das Institut für Archäologie und Kunstgeschichte der Universität Klausenburg/Cluj Napoca und die Forschungsstelle der Rumänischen Akademie in Hermannstadt/Sibiu gewinnen. […] 1995 war die Erfassung von 236 Dörfern zum Abschluss gebracht, und im November konnte bei einem Kolloquium in Hermannstadt/Sibiu ein Pilotband der Denkmaltopographie vorgestellt werden. […] Neben dem in vielerlei Hinsicht vorbildlichen Dokumentationsprojekt hat Christoph Machat auch geholfen, eine Reihe von Vorschlägen und Nominierungsunterlagen zur Ergänzung des Kulturerbes Rumäniens auf der Welterbeliste der UNESCO zu erarbeiten, […]. Außerdem hat er dank seiner großen Erfahrung in der denkmalpflegerischen Praxis seit 1993 zahlreiche Instandsetzungs- und Restaurierungsmaßnahmen vor allem in Siebenbürgen, aber auch im übrigen Rumänien fachlich betreut. Die bedeutendste denkmalpflegerische Maßnahme in Schäßburg war die […] in den Jahren 1993–1999 realisierte Gesamtinstandsetzung der auch statisch stark gefährdeten Schäßburger Bergkirche.«

Der Ehrenpreis des georg dehio-kulturpreises ging an der polnischen Regionalforscher und Publizisten Zbigniew Czarnuch. Die Begründung der Jury lautete: »Zbigniew Czarnuch hat sich durch sein Lebenswerk erhebliche regional- und lokalhistorische Verdienste für die gemeinsame deutsch-polnische kulturelle Verständigung in der Neumark, einer Region abseits der großen deutsch-polnischen Initiativen und kulturellen Zentren, erworben. Durch eine langjährige, beharrliche Tätigkeit in den Bereichen Regionalkultur, Heimat- und Denkmalpflege hat er zahlreiche Initiativen zum Erhalt der regionalen Kulturlandschaft ins Leben gerufen. Dies betrifft sowohl die Lokalgeschichte von Vietz (Witnica), die Regionalgeschichte der Neumark wie die deutsch-polnisch-jüdisch-ukrainischen Beziehungen in der Region in einer europaweiten Perspektive. Der Preisträger hat diese Tätigkeiten als im besten Sinne zivilgesellschaftliches Engagement betrieben und dadurch zum Erhalt einer gemeinsamen ostmitteleuropäischen Geschichte vor Ort beigetragen.« Dr. Krzysztof Wojciechowski vom Collegium Pollonicum in Słubice charakterisierte in seiner Laudatio den Menschen Zbigniew Czarnuch und sein Wirken: »Erstens zeichnet er sich durch große Weisheit aus. Er ist ein Mensch, der immer sagt, dass er zuerst ein Mensch sei und erst dann Pole oder was auch immer. Wie wichtig und wie mutig diese Behauptung ist, kann nur jemand verstehen, der die gegenwärtige geistige Verfassung Polens kennt. Die Aufnahme Polens in den elitären Klub der Welt, in die Europäische Union, hat als ungewollte Folge zu einer Verstärkung der kollektiven Minderwertigkeitskomplexe geführt. Diese wiederum bewirkten eine starke Hinwendung zum Nationalismus, zum religiösen Radikalismus, dem aufständischen Mythos und auch zum Wettern gegen den stärkeren Nachbarn Deutschland. Bei dieser geistigen Großwetterlage grenzt es an Heldentum, öffentlich zu behaupten, das Polnische stehe weit hinter dem allgemein Menschlichen.

Zweitens ist Zbigniew Czarnuch ein Mensch mit inkohärenter Identität. Ein ehemaliger Feind der Deutschen (als junger Mann klopfte er in Witnica, dem zuvor deutschen Vietz, mit dem Hammer die deutschen Symbole ab und übermalte mit Farbe deutsche Aufschriften), ist zu einem Freund der Deutschen geworden, der alles Deutsche vor dem Vergessen bewahren will. Aus einem ehemaligen Kommunisten ist heute ein authentischer Demokrat geworden, der er irgendwie schon immer gewesen ist. […] Drittens ist Zbigniew Czarnuch ein Mensch, der intuitiv, vielleicht instinktiv die hohe Kunst der Pflege des gemeinschaftlichen Selbstwertgefühls beherrscht. Durch seine Bescheidenheit, durch die notorische Zurücknahme seiner Person schafft er ein positives Umfeld um sich herum, in dem alles aufblüht: die Charaktere junger Pfadfinder, die Einsicht der Journalisten, das Engagement der polnischen Lokalpatrioten und die Heimatgefühle der deutschen Vertriebenen. Wie viel besser wäre unsere Welt, wenn wir alle diese Kunst beherrschen!«

Der Empfang im Anschluss an die Preisverleihung bot den Rahmen zu angeregten Gesprächen.

Der RBB hat in seiner Sendung »Kowalski trifft Schmidt« am 18. Oktober 09 über die Preisverleihung berichtet.

alle Fotos auf dieser Seite: © Deutsches Kulturforum östliches Europa, 2009 • Fotograf: Mathias Marx, Geltow

Begleitveranstaltungen

Im Rahmen des Georg Dehio-Kulturpreisverleihung 2009 finden zwei Begleitveranstaltungen statt, in denen die Wirkungsbereiche der Preisträger vorgestellt werden.

Dienstag, 27. Oktober 2009

19.30 Uhr
Stein gewordene Kultur
Erforschung und Erhaltung des architektonischen Erbes der Deutschen im östlichen Europa | Vortrag und Podiumsdiskussion mit Hanna Derer, Bukarest, Christoph Machat, Köln, Józs ef Sebestyén, Budapest, Andrzej Tomaszewski, Warschau; Moderation: Jörg Haspel, Berlin
Begleitveranstaltung zum diesjährigen georg dehio-kulturpreis • Anmeldung erforderlich
Ort: Berliner Rathaus | Louise-Schroeder-Saal (Jüdenstraße 1, 10178 Berlin-Mitte) … mehr

Donnerstag, 12. November 2009

19.00 Uhr
Die Neumark
Deutsch-polnische Geschichte einer Region | Vortrag von Klaus Zernack | Helga Hirsch im Gespräch mit Zbigniew Czarnuch, Georg Dehio-Kulturpreisträger 2009
Begleitveranstaltung zum diesjährigen georg dehio-kulturpreis • In Kooperation mit der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e. V. • Anmeldung erforderlich
Ort: Zentral- und Landesbibliothek Berlin | Haus Berliner Stadtbibliothek | Berlin-Saal (Breite Straße 36, 10178 Berlin-Mitte)

Links

Verleihung des Georg Dehio-Kulturpreises 2009
Die Auszeichnung geht an Christoph Machat | Ehrenpreis für Zbigniew Czarnuch