Wie ein Werbeslogan begleitete dieser Ausspruch in den Jahren nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1867 eine deutschsprachige Tageszeitung Ungarns – eine von vielen, die in der Vergangenheit eine bedeutende Rolle in Kultur, Wissenschaft und Politik spielten. Aber auch heute existiert in Ungarn eine deutschsprachige Presselandschaft.
»Das beste ungarische Blatt ist doch der Pester Lloyd!« – Wie ein Werbeslogan begleitete dieser Ausspruch in den Jahren nach dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn 1867 eine deutschsprachige Budapester Tageszeitung Ungarns. Immer das Wohl Ungarns im Visier, wurde sie zu einem der angesehensten Blätter des Landes.
Deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften waren in Ungarn nichts außergewöhnliches, es ist bekannt, dass die ersten Zeitungen und Zeitschriften sowie Theater in Ungarn deutschsprachig waren. Heute gibt es in Ungarn drei deutschsprachige Wochenzeitungen und einige seltener erscheinende Zeitungen und andere Periodika.
Aus heutiger Sicht ist kaum mehr vorstellbar, ja fast befremdlich, dass seit den 1770er Jahren schätzungsweise 2000 deutschsprachige Zeitungen in Ungarn erschienen sind. Auch wenn manch eines der Blätter nur in einer oder wenigen Ausgaben herausgebracht wurde, ist diese Zahl erstaunlich hoch. Die meisten dieser Zeitungen erschienen im 18. und 19. Jahrhundert, als die deutschsprachigen Zeitungen, Zeitschriften und sogenannten Intelligenzblätter in der Presselandschaft des Königreichs Ungarn eine wichtige Stellung einnahmen.
1705 erschien die erste Zeitung Ungarns überhaupt, der Mercurius Hungaricus in lateinischer Sprache. 25 Jahre darauf, im Jahre 1730, erschien als erstes deutschsprachiges Periodikum in Ungarn erstmalig der so genannte Ofenische Mercurius, der zweimal in der Woche herausgegeben wurde. Die erste ungarischsprachige Zeitung erschien erst 50 Jahre später im Jahre 1780 – dieser Umstand zeigt deutlich die untergeordnete Stellung der ungarischen Sprache, die von den herrschenden Schichten so gut wie nicht gesprochen wurde.
Die Bevölkerung der Städte Ofen, Pest, Preßburg und Ödenburg sprach größtenteils deutsch. Dieses deutschsprachige Bürgertum hatte aber nicht die Absicht, sich von den Bestrebungen einer eigenständigen ungarischen Wirtschaft und von politischen Forderungen nach größerer Unabhängigkeit abzugrenzen. Das Gegenteil war der Fall, bezeichnend war die Annäherung verschiedener ethnischer Gruppen im Zeichen des bürgerlichen Aufschwungs des Landes. Politische Fronten ließen sich nicht entlang sprachlicher Grenzen ziehen. So ist in einer Abhandlung über die deutschsprachige Presse in Ungarn in einem Aufsatz von Peter Rényi nachzulesen:
»Diese Eigenheit der ungarischen Entwicklung ist in allen Bereichen nachzuweisen und verkörpert sich besonders in der deutschsprachigen Presse Ungarns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die von verschiedenen Gruppen des Bürgertums unterstützt wurde, vor allem vom jüdischen Groß- und Kleinbürgertum, die aber – trotz der Sprache – ein organischer, ja sogar sehr wichtiger und relativ progressiver Teil der nationalen Presse war.«
Rényi zielt hier vor allem auf den Pester Lloyd. Nach der Niederlage Ungarns in der Revolution von 1848/49 hat vor allem der Pester Lloyd den sogenannten Ausgleich zwischen dem Haus Habsburg und Ungarn in deutscher Sprache – jedoch von ungarischer Seite her – vorbereitet. Als deutschsprachige Zeitung war er dennoch kein Amtsorgan der Habsburger Behörden. Miksa Falk, Chefredakteur des Pester Lloyd von 1867 bis 1908 und brillanter Publizist sowohl in der deutschen wie auch in der ungarischen Sprache, sah die Aufgabe des Pester Lloyd darin, »ein Organ zu bieten, das in ruhiger, aber entschiedener Sprache überall, wo es not tut, für die Ehre und das Interesse Ungarns eintritt...«
Der Pester Lloyd feiert im Jahr 2004 gleich zwei Jubiläen. Vor 150 Jahren erschien die Zeitung zum ersten Mal. 90 Jahre lang war sie die meinungsbildende liberale deutschsprachige Tageszeitung in Ungarn, die in einer Morgen- und einer Abendausgabe erschien. In den 30er Jahren publizierten Autoren wie Thomas Mann, Franz Molnár und Joseph Roth im Pester Lloyd.
1945 wurde ihr Erscheinen eingestellt, besser gesagt verlieren sich die Spuren der untergetauchten Redaktionsmitglieder in den Jahren 1944/45, es ist aber bekannt, dass die letzte Ausgabe als Morgenblatt in der westungarischen Stadt Sopron/Ödenburg herausgegeben wurde.
Seit 10 Jahren gibt es den Pester Lloyd wieder an den Kiosken Ungarns und Österreichs zu kaufen. 1994 als unabhängige deutschsprachige Wochenzeitung wiederbelebt, erschien die Zeitung zuerst unter dem Namen Der Neue Pester Lloyd.
Seit 2003 wird die Zeitung erstmals wieder ohne den unterscheidenden Zusatz »der Neue«, unter dem alten Namen als Pester Lloyd herausgegeben. Seit 1999 liegt ihm die Budapester Rundschau bei, in der über das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben in Budapest informiert wird und die den Untertitel »die Hauptstadtzeitung des Pester Lloyd« trägt. Die Budapester Rundschau wurde 1967 als deutschsprachige Wochenzeitschrift gegründet. Im allgemeinen jedoch erschöpft sich die deutschsprachige Presse in Ungarn nach 1945 bis zur Wende fast ausschließlich in der sogenannten »Nationalitätenpresse«. Hier sei als wichtigstes Beispiel die Neue Zeitung erwähnt, die 1956 gegründet wurde und heute noch existiert. Die Neue Zeitung fungiert als Mitteilungsorgan der ungarndeutschen Minderheit. Sie hat sich die Pflege der deutschen Muttersprache zum Ziel gesetzt. Das Blatt berichtet auch über die wichtigsten politischen Ereignisse, hauptsächlich aber und in aller Ausführlichkeit widmet sie sich dem Alltag und den Festtagen sowie den kulturellen, sozialen und politischen Einrichtungen der Ungarndeutschen. Breiten Raum räumt die Zeitung den Arbeiten ungarndeutscher Dichter und Erzähler ein, die in der Neuen Zeitung ein Forum erhalten.
Neben dem Pester Lloyd und der Neuen Zeitung gibt es noch die Budapester Zeitung, alle drei erscheinen wöchentlich in mehr oder weniger kleinen Auflagen. Während die Neue Zeitung dem ungarischen Gesetz zum Schutze der nationalen und ethnischen Minderheiten zufolge staatliche Unterstützung erhält, sind Budapester Zeitung und Pester Lloyd auf Anzeigen und Sponsoren angewiesen. Die Neue Zeitung wird von den Ungarndeutschen gelesen, Budapester Zeitung und Pester Lloyd konkurrieren um die in Ungarn lebenden Deutschen und um die in Ungarn niedergelassene deutsche Wirtschaft. Der Pester Lloyd wird damals wie heute auch im deutschen Sprachraum gelesen, von Menschen, die sich aus wirtschaftlichem, beruflichem oder privatem Interesse über Ungarn informieren wollen.
Macht man sich die Mühe und schaut sich im Archiv eine alte Ausgabe des Pester Lloyd an, wird man feststellen, dass die Zeitung einen ausgeprägten Wirtschaftsteil aufwies. Die Zeitung wurde von einer Handelsgesellschaft gegründet, die 1852 den Namen Pester Lloyd erhielt. Die Mitglieder der Gesellschaft waren sich darüber einig, dass im Mittelpunkt ihrer Bestrebungen »ein periodisch erscheinendes Organ stehen müsse«.
Die Zeitung war von Anfang an politisch und wirtschaftlich ausgerichtet; um so erstaunlicher ist es, dass der Pester Lloyd als Vermittler zwischen dem ungarischen, österreichischen und deutschen Geistesleben eine wichtige Rolle spielte und besonders auf den Kulturseiten sein eigenes Profil fand. Stefan Zweig schrieb 1928 zum 75. Jubiläum des Pester Lloyd gerührt:
» ....ständig zwischen Sprache und Sprache, zwischen Nation und Nation zu vermitteln, die deutsche Kultur den Ungarn, die ungarische den Deutschen nahezubringen ... im Inland für die ganze Welt, in der Welt wiederum für das eigene Land zu wirken, ist wie des Künstlers und des rechten Politikers auch des großen Journalisten ruhmreichste und ehrenvollste Aufgabe. Also Dank für alles im Sinne der nationalen und übernationalen Bindung geleistete...«
Dem gegenseitigen Austausch der kulturellen Werte fühlte sich der damalige Chefredakteur József Vészi in besonderem Maße verpflichtet. Er galt als hervorragender Journalist, der das Deutsche in größter Perfektion, »wie ein Schriftsteller«, beherrschte. Vészi, der jüdischer Abstammung war, musste seinen Posten 1937 räumen. Neuer Chefredakteur wurde György v. Ottlik, der diese Funktion bis 1944 innehatte. Diese Jahre gehörten sicherlich zur schwersten Zeit in der Geschichte des Blattes, und erneut, wie nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als Vészi über die Kriegsberichterstattung schrieb, sie sei »ein ständiger Tanz auf Eiern«, war die Situation nun noch komplizierter.
Will man sich die schwierige Situation des Pester Lloyd nach der Machtergreifung Hiltlers vergegenwärtigen, muss man folgenden Sachverhalt verstehen: Einerseits fungierte die Zeitung als halboffizielles Blatt der ungarischen Regierung, die dem nationalsozialistischen Deutschland mit der Zeit immer näher rückte und von 1940 an sein Verbündeter war. Innerhalb der Redaktion bestand auch die Hoffnung, dass es mit Hilfe Hitlers für Ungarn zu einer teilweisen oder völligen Aufhebung des Friedensvertrages von Trianon kommen könnte und damit zu einer Revision der Grenzen des seit dem Ende des Ersten Weltkriegs stark verkleinerten Landes. Außerdem erhoffte man sich einen Aufschwung der ungarischen Wirtschaft, die sich in einer katastrophalen Lage befand. Andererseits aber war die Zeitung ein zutiefst liberales Organ, das sich gegen Fanatismus und Radikalismus jeder Art richtete. Die Vorgänge in Deutschland und besonders im deutschen Geistesleben wurden von Anbeginn der Hitlerdiktatur mit eindeutiger Kritik im Feuilleton und im Literaturteil der Zeitung kommentiert. Im politischen Teil folgte man den offiziellen Richtlinien der ungarischen Politik und hielt sich zurück.
Siegfried Brachfeld hat in seiner Studie Deutsche Literatur im Pester Lloyd zwischen 1933 und 1944 dargelegt, dass es der Zeitung gelungen war, »Asyl« für einen Teil derjenigen Schriftsteller zu werden, die während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland verboten waren. So veröffentlichte der Pester Lloyd 1936 z.B. den vollen Wortlaut der Rede Achtung Europa von Thomas Mann, in der er über den wirtschaftlichen, geistigen und moralischen Tiefstand seiner Zeit sprach.
Der Pester Lloyd von heute zitiert gern die traditionsreiche Vergangenheit der Zeitung. Ob er das Niveau des alten Blattes halten kann, ist eine andere Frage. Wenn man sich in Ungarn als deutscher Tourist über die Verhältnisse im Land informieren möchte oder als Deutscher in Ungarn lebt, ist man mit dem Pester Lloyd jedoch nicht schlecht beraten.
Besonders beachtenswert sind beim »neuen« Pester Lloyd auch der Feuilleton- und Kulturteil, insbesondere die Seite Drei Raben, auf der regelmäßig deutsche Übersetzungen meist noch nicht ins deutsche übertragener Texte großer ungarischer Autoren wie Dezsõ Kosztolányi oder Endre Ady zu lesen sind – sehr empfehlenswert, wenn man sich ganz ungezwungen der ungarischen Literatur annähern möchte!
Die Ausgaben des Pester Lloyd von 1908 bis 1922
im Volltext als JPEG und PDF. Ein Service der Österreichischen Nationalbibliothek und der Österreichischen Parlamentsbibliothek.