Im Glatzer Land verfällt ein Paradies. Zahlreiche Schlösser, Gärten und Kurbäder warten auf bessere Zeiten.

Geografie

Das Glatzer Land war wegen seiner geografischen Lage seit jeher ein Durchgangs- und Verbindungsland zwischen Böhmen, Mähren und Schlesien. Wichtige Handelswege durchzogen die Region. Im Mittelalter wurde das Gebiet zum Zankapfel zwischen dem böhmisch-přemyslidischen Reich südlich der Gebirgskette und dem Herrschaftsgebiet der polnischen Piasten im Osten. Mit dem Glatzer Pfingstfrieden von 1137 blieb das Land zunächst beim Königreich Böhmen.

Wachstum ab dem 12. Jahrhundert

Im 12. und 13. Jahrhundert besiedelten überwiegend deutschen Kolonisten das Land und es gedieh prächtig. Historische Ansichten des Glatzer Schlosses und mittelalterli­cher Wohntürme, die zu den ältesten Profanbauten Schlesiens zählen, belegen das anschaulich. Charakteristisch für die Zeit der Renais­sance sind die festen Häuser. Im Unterschied zu den hölzernen Bauten der Landbevölkerung oder den üblichen Fach­werkbauten in anderen Regionen wurde hier schon mit Stein gebaut – inklusive heizbarer Stube, getäfelter Wände und bemalter Deckenbalken.

Die Stadt Glatz (polnisch Kłodzko), Mittelpunkt und Hauptort der Grafschaft, gehört zu den ältesten und wichtigsten Städten im heutigen Schlesien.

Habsburger Zeit

Mit dem Übergang der böhmischen Krone an das Haus Habsburg 1526 geriet die Grafschaft Glatz in den künstlerischen Einflussbereich des Wiener Hofes. Infolge der gegen­reformatorischen Bestrebungen Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden prachtvolle katholische Kirchen, unter anderem auch die Innenausstattung der Abteikirche Kamenz (Kamieniec Ząbkowicki).

Zahlreiche Herrenhäuser und Schlösser wurden damals im modernen Stil des Barock umgebaut oder neu errichtet. Im Auftrag katholischer Adeliger, die sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts in der Grafschaft niedergelassen hatten, entstanden repräsentative Barockresiden­zen wie die Schlösser der Reichsgrafen von Althann in Mittelwalde (Międzylesie) und Wölfelsdorf (Wilkanów).

Friedrich der Große erobert Schlesien

Zwischen 1740 und 1763 eroberte Friedrich der Große in drei Schlesischen Krie­gen das Land beiderseits der Oder. Dem König war an dem Erwerb der Grafschaft sehr gelegen, sicherte es doch die Grenze zu Böhmen. Dementsprechend baute er die Schlossanlage über der Stadt Glatz zu einer starken Festung aus. Heute zählt sie zu den bedeutendsten erhaltenen Militärbauten ihrer Zeit in Europa.

Die Grafschaft Glatz wird preußische Provinz

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Grafschaft Teil der preußischen Provinz Schle­sien. Graf Anton Alexander von Magnis, der mehrere Güter in der Grafschaft besaß, gehörte zu einer Gruppe aufgeklärter und fortschrittlich gesinnter Adeliger, die sich mit den neuen Methoden der Landwirtschaft auseinandersetzte. Er bewirtschaf­tete seine Güter nach dem Vorbild englischer Landwirtschaft. Außerdem be­tätigte er sich auch erfolgreich in anderen Wirtschaftszweigen. So gründete er eine hochmoderne, mit Kohle befeuerte Glashütte, beteiligte sich am Steinkohlebergbau und gehörte zu den Pionieren der Zuckerherstellung.

Kurbäder mit Tradition

Spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Region durch ihre zahlrei­chen Kurorte über die preußischen Grenzen hinaus als Gesundbrunnen Deutsch­lands bekannt. Der Glatzer Kessel ist reich an kohlensäure- oder schwefelhaltigen Mineral- und Heilquellen, die sich zu Trink- und Badekuren eignen. Unterstützt wird die Heilwirkung durch das milde Klima.

Die weithin bekannten Bäder Landeck (Lądek Zdrój), Reinerz (Duszniki Zdrój), Kudowa (Kudowa Zdrój), Altheide und Langenau hatten gro­ßen Anteil an der volkswirtschaftlichen Entwicklung des Glatzer Landes. Bad Landeck ist nach Bad Warmbrunn (Cieplice) das älteste Heilbad in Schlesien. Die Stadt lebte bereits seit etwa 1400 von den Badeeinrichtungen.

Neben den Bädern und der imposanten Landschaft trug auch die große Zahl idyllischer Schlossparks – Grafenort (Gorzanów), Ullersdorf (Ołdrzychowice Kłodzkie), Kunzendorf (Trzebieszowice) und viele andere – zum Reiz des Glatzer Landes bei, das bis zum Zweiten Weltkrieg jährlich von zahlreichen Sommerfrischlern besucht wurde.

Verfall nach 1945

Die folgenschwerste Zäsur in der Geschichte des Landes stellte der Zweite Weltkrieg mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach Kriegsende dar. An ihrer statt kamen polnische Siedler, die durch die Vertreibung aus den an die Sowjetunion gefallenen polnischen Ostgebieten selbst Entwurzelte waren und die sich mit diesem offiziell nun als „wiedergewonnenem Gebiet“ titulierten Land kaum identifizieren konnten. Das hatte auch für den Erhalt und eine kontinuierlich Pflege der Kulturlandschaft Konsequenzen. Zwar wurden die meisten der Schlossanlagen nach 1945 durch staatliche Einrichtungen genutzt, verwahrlosten jedoch aufgrund mangelnder Instandhaltung zunehmend, so dass bereits in den 1970er Jahren die ersten von ihnen Ruinen waren.

Keine Wende in Sicht

Mit der politischen Wende in Ostmitteleuropa wuchs zwar in der Bevölkerung das Interesse und die Akzeptanz für die böhmisch-deutsche Geschichte des Landes, doch hat sich die Situation vieler Schlösser und Herrenhäuser seither kaum gebessert. Zahlreiche bis dahin durch den Staat genutzte Herrensitze wurden aufgegeben und sind nun zunehmend dem Verfall ausgesetzt. Und es gibt nur wenige Privatleute, die willens und finanziell dazu in der Lage sind, solche Anwesen zu erhalten, wie die beispielhaft restaurierte Schlossanlage in Trzebieszowice (deutsch: Kunzendorf an der Biele).

Unser Tipp

  • Die Glatzer Bäder
  • Albendorf (Wambierzyce)
  • Stadt und Festung Glatz

Literatur & Links

Franke, Arne, Schulze, Katrin: Schlösser in der Grafschaft Glatz. Görlitz 2009.

Güttler, Peter: Das Glatzer Land. Düsseldorf 1995.

Herzig, Arno, Ruchniewicz, Małgorzata: Geschichte des Glatzer Landes. Hamburg-Wrocław 2006.

Kögler, Joseph: Die Chroniken der Grafschaft Glatz. Neu bearbeitet und herausgegeben von Dieter Pohl. 5 Bände, 1992–2003.

Pohl, Dieter: Der schlesische Herrgottswinkel – Kurze Geschichte der Grafschaft Glatz.
In: Schlesien heute, 6. Juli 2003, S. 58–59.

Veit, Hans:Zur Geschichte des Glatzer Landes.
In: Kulturelle Arbeitshefte, Heft 35, 1996.