Bettina B. Altendorf: Die russischen Sänger des Königs und die Kolonie Alexandrowka in Potsdam
Klaus Harer
Bettina B. Altendorf: Die russischen Sänger des Königs und die Kolonie Alexandrowka in Potsdam. Das Denkmal der Freundschaft zwischen Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. von Russland. Berlin: Hendrik Bäßler Verl., 2004. 144 S. ISBN 3-930388-33-2,

Ein informatives und lesenwertes Buch über ein Kapitel preußisch-russischer Beziehungen

Das Bändchen ist das Resultat intensiver Forschungen, die die Berliner Historikerin Bettina Altendorf in Berliner und Potsdamer Archiven und anhand der wissenschaftlichen Literatur angestellt hat. Zahlreiche Aktenstücke, Pläne und Bildmaterial erbrachten nicht nur neue Erkenntnisse über die Geschichte und den Status der Kolonie Alexandrowka, die 1999 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde; mit dem reichen Bildmaterial konnte die Autorin ihr Buch sehr anschaulich illustrieren.

Gut die Hälfte des Buches ist der Geschichte der Kolonie und der Vorgeschichte in den Napoleonischen Kriegen gewidmet. Am Anfang stand ein Sängerchor aus russischen Kriegsgefangenen, der in der Folge des preußischen Feldzugs gegen Russland im Jahre 1812 auf Wunsch des Königs Friedrich Wilhelm III. in Potsdam formiert wurde. 1813 – inzwischen hatte Preußen die Seiten gewechselt und kämpfte nun an der Seite Russlands gegen Napoleons Armee – wurde dieser aus 21 Sängern bestehende Chor dem 1. Garderegiment zu Fuß zugeordnet und kam bei verschiedenen feierlichen Anlässen zum Einsatz.

Militärchöre hatten in der russischen Armee eine bestimmte Tradition (was in dem vorliegenden Buch allerdings kaum zur Sprache kommt), die den Preußen fremd blieb. Hier war die Militärmusik instrumental. Obwohl russischer Kirchen- und Militärgesang offenbar dem preußischen König gefiel, ist wenig über die Arbeit des Chores bekannt. Vereinzelte zeitgenössische Zeugnisse, die im Buch zitiert werden, berichten neutral-abfällig (»aus Mangel an Musik sangen die Russischen Sänger«, S. 19) bis ablehnend (»grausame Tafelmusik [...], zu der ein eigenes nationales Ohr gehörte«, S. 22) vom Gesang des Chores.

Die Freundschaft, die Friedrich Wilhelm III. mit dem russischen Kaiser Alexander I. verband, wurde durch die Verheiratung der preußischen Prinzessin Charlotte mit dem Bruder des Zaren, dem späteren russischen Kaiser Nikolaus I. im Jahre 1816 besiegelt. Anlässlich der Verlobung schenkte der russische Kaiser dem preußischen König sieben Grenadiere, um den Sängerchor, der inzwischen geschrumpft war, aufzufüllen. Bald nach dem plötzlichen Tod des russischen Kaisers im Dezember 1825, der große Erschütterung am preußischen Hof auslöste, entwickelte der preußische König die Idee eines Freundschaftsdenkmals: er gab die Planung von 14 Wohnhäusern »nach Russischer Bauart« sowie einer russischen Kirche in Auftrag. Die Kolonie sollte von den verbliebenen zwölf »Sängern« bewohnt werden. Im Laufe eines Jahres wurde die Anlage nach einem Entwurf Peter Joseph Lennés errichtet. Der Bau der Kirche, die dem Namenspatron des verstorbenen russischen Kaisers, dem Heiligen Alexander Newski, geweiht wurde, zog sich bis 1829 hin.

Die Verfasserin schildert eindrücklich, wie der preußische König sein »Denkmal der Freundschaft« ausstattete und unter welchen Bedingungen die Errichtung und dann die Besiedlung durch die Kolonisten vonstatten ging. Dabei wird klar, dass es sich keineswegs um ein »russisches Dorf« mit russischen Bewohnern handelte. Die Bewohner der Kolonie waren frühzeitig assimiliert an ihre preußische Umgebung. Die Kirche wurde wenig genutzt (ohnehin war die Mehrzahl der Bewohner der Alexandrowka protestantisch), nur bisweilen kam der Geistliche von der russischen Botschaft in Berlin, um zu bestimmten Anlässen Gottesdienste abzuhalten. Die Kolonie war, wie die Verfasserin überzeugend darlegt, wirklich ein – wenn auch eigenartiges – Denkmal, das – aus der Privatschatulle des Königs finanziert – zur Altersversorgung des 1. Garderegiments genutzt wurde. Unter den Nachfolgern ihres Gründers, die weniger sentimentale Gefühle gegenüber der russisch-preußischen Freundschaft hegten, überwog die Tendenz, die laufenden Kosten dieses Denkmals zu begrenzen. Die Verfasserin verfolgt die Geschichte der Kolonie bis auf den heutigen Tag.

Der zweite Teil des Buches ist eher regional- bzw. sozialgeschichtlich interessant. Die Verfasserin hat die Familiengeschichten der Koloniebewohner, soweit sie aus den Archiven ermittelbar ist, zusammengetragen und übersichtlich dargestellt. Beeindruckend ist hier die Fülle von Informationen aus dem Alltagsleben der Kolonisten. Der Anhang gibt eine Übersicht über die Bewohner der einzelnen Kolonistenstellen über die vergangenen fast 180 Jahre.

Bettina Altendorfs schön bebilderte Arbeit über die Kolonie Alexandrowka in Potsdam ist ein informatives und lesenwertes Buch über ein Kapitel preußisch-russischer Beziehungen.