Kulturkorrespondenz östliches Europa – Ausgabe 1427
Ausgabe Januar/Februar 2022
Titelblatt der KK 1427 | Januar/Februar 2022

Editorial

Können Sie sich noch an die TV-Sendung der 1980er und 1990er Jahre erinnern, in der Kinder Begriffe erklärt haben, die von Erwachsenen erraten werden sollten? »Dingsda« hieß sie und ließ mit den zuweilen witzigen Erläuterungen und Tipps der Kinder kaum ein Auge der häufig erwachsenen Zuschauer trocken. Wie wohl die Kinder das Schwerpunktthema der vorliegenden Kulturkorrespondenz erklären würden, haben wir uns in der Redaktion gefragt. Etwa: Was haben und erleben alle, aber auf jeweils unterschiedliche Weise? Bei manchen liegt sie weit zurück, bei anderen weit weniger? Und: Fast alle Erwachsenen wünschen sie sich zurück. Die Rede ist von »Kindheit«.

Zu Jahresanfang 2022 wollen wir uns der ersten Phase eines jeden Lebens widmen und schauen aus verschiedenen Perspektiven darauf, etwa aus der historisch-exemplarischen. Martin Pabst, im Kulturforum seit Herbst letzten Jahres für die baltischen Länder zuständig, hat seiner Großmutter beim Erzählen zugehört. Die heute 102-Jährige erlebte ihre Kindheit und Schulzeit als Deutschbaltin im Kurland der 1920er und 1930er Jahre – also inmitten der Gründungsphase der lettischen Republik. Kindheitsgeschichten hat auch KK-Redakteur Markus Nowak in Litauen gesammelt. Er traf sogenannte Wolfskinder, drei mittlerweile achtzigjährige Damen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Waisen aus Ostpreußen auf der Suche nach Essen nach Litauen gingen. Vokietukai wurden sie von der litauischen Bevölkerung genannt, »kleine Deutsche«.

Passend zum Schwerpunktthema spricht Martina Winkler im Interview davon, wie sie sich als Historikerin ihrem Spezialthema »Kindheit « annähert. Sie plädiert dafür, Kindheit nicht nur als biologisches Faktum anzusehen, sondern auch als ein gesellschaftliches Konstrukt, das Veränderungen unterliegt. Wie eine Sage, nachdem sie lange Zeit vergessen und verdrängt wurde, wieder zu neuem Leben erwacht, berichtet der Journalist und Autor Ralf Pasch. Er beschreibt die »Wiedergeburt des Rübezahl« – wie er seinen Beitrag übertitelt.

Zur Kindheit gehören auch Spaß, wie auf dem Titelbild ein Karussell, und natürlich Spielzeug! Ein ganz besonderes beschreibt KKRedakteurin Renate Zöller und hat sich dazu in eine »Puppenklinik« begeben, die Käthe- Kruse-Puppen restauriert. Renate Zöller hat Ende 2021 den renommierten Deutsch-tschechischen Journalistenpreis gewonnen, zu dem wir ihr und uns an dieser Stelle gratulieren!

Preisträger war auch Steffen Neumann, der für uns die nach beinahe 15 Planungsjahren eröffnete Ausstellung »Unsere Deutschen« im Stadtmuseum in Aussig/Ústí nad Labem besucht hat. Empfohlen sei noch abseits des Schwerpunktthemas der Beitrag von Jan Mohnhaupt über die Europäische Kulturhauptstadt Neusatz/Novi Sad. Insbesondere Hundefreunde kommen auf ihre Kosten! Nun aber wünschen wir einen guten Start ins neue Jahr und eine interessante Lektüre.

Ihre Redaktion

Inhalt


Im Fokus

Momente
Däumlinchen und das PR-Genie. Käthe Kruse schuf die erste Puppe, die Kinder mit ins Bett nehmen wollten
Von Renate Zöller

Perspektiven
Dämonen, Donauschwaben und Dackel. Ein Spaziergang durch Europas Kulturhauptstadt 2022
Von Jan Mohnhaupt

Neuigkeiten

Momente II
Meisterboxer und der Koffer mit Schmutzwäsche. Eine Schulzeit im Lettland der 1920er und 1930er
Von Martin Pabst

Im Gespräch
»Die Kindheit wird sehr stark emotionalisiert«
Interview mit Martina Winkler

Rezensionen
Kein Platz für die deutschsprachigen Juden.
Von Niklas Lämmel

Eine Schau, die ihre Wirkung entfalten wird. Dauerausstellung »Unsere Deutschen«.
Von Steffen Neumann

»Mein Atem heißt Jetzt«. Rose Ausländer – ein Leben für die Dichtung
Von Ingeborg Szöllösi

Epochen I
Vokietukai, die kleinen Deutschen. Das Schicksal der »Wolfskinder« in Litauen
Von Markus Nowak

Epochen II
Die Wiedergeburt des Rübezahl
Von Ralf Pasch

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Fundstück

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